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Ex

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Titel: Ex Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ambrose
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ihr Rufen erwies sich als nutzlos. Ja, es schien ihr immer unsinniger, ihm überhaupt weiter hinterherzurennen: Sie hatte nicht die geringste Chance, ihn einzuholen. Doch sie wollte unbedingt wissen, warum er so plötzlich die Flucht ergriffen hatte, ohne ihr etwas zu sagen, ja offenbar ohne einen Gedanken an sie zu verschwenden.
    Joannas Schritt verlangsamte sich, und sie kam sich jetzt ziemlich albern vor, weil sie überhaupt versucht hatte, ihm zu folgen. Sicherlich hatte sein Verhalten einen Grund, und den würde sie am ehesten oben in der Wohnung finden und nicht hier in diesem tristen Treppenschacht. Höchstwahrscheinlich war inzwischen der chinesische Diener in Wards Zimmer aufgetaucht. Das allein erklärte zwar noch nicht Sams überstürzten Abgang, doch es bestand sicher keine Gefahr für sie. Sonst hätte er sie bestimmt gewarnt und sie mitgenommen. Diese Verfolgung war nicht gerade ein Vertrauensbeweis ihrerseits. Sie hätte zurück in Wards Meditationsraum gehen sollen, wie sie es vereinbart hatten. Dort hätte sie wahrscheinlich erfahren, daß Sam schnell zur Apotheke oder zu einem Arzt laufen wollte und es so eilig hatte, daß er nicht einmal auf den Fahrstuhl warten konnte. Natürlich, das war die Lösung. Sie hatte völlig überreagiert. Am besten ging sie wieder nach oben und schaute nach, ob sie irgendwie helfen konnte.
    Doch jetzt war sie schon so weit hinuntergelaufen, daß sie schneller im Erdgeschoß als oben in Wards Etage – der fünften? Oder der sechsten? – ankommen würde. Am vernünftigsten war es wohl, wieter hinunterzugehen und mit dem Lift wieder nach oben zu fahren. Genau das würde sie tun.
    Da sie nun niemanden mehr einholen wollte, brauchte sie sich auch nicht mehr so zu beeilen. Und ihr fiel ein, daß sie gar nicht bis ganz nach unten gehen mußte, es reichte, wenn sie beim nächsten Treppenabsatz – ihrer Schätzung nach im zweiten oder dritten Stock – durch die Notausgangstür zurückging und dort den Fahrstuhl nahm.
    Gedankenverloren und ohne genau aufzupassen, ging sie von der Treppe auf die Tür zu, die sich etwas zurückgesetzt in einer dicken Mauer befand. Sie griff nach der Klinke, vielmehr nach der Stelle, wo sie im Halbdunkel die Klinke vermutete… und spürte etwas Wieches.
    Es entfuhr ihr ein spitzer Schrei – es war mehr Überraschung als Schreck, denn sie hatte die Farbe des Mantels schon erkannt. Es war Sams Mantel.
    Doch als ihr Blick nach oben wanderte, zu dem Gesicht, das sie zu sehen erwartete, gefror ihr das Blut in den Adern. Der Mann, der ihr im Schatten aufgelauert hatte, war Ralph Cazaubon.
    »Laß es nicht auf diese Weise enden«, bat er sie mit sanfter, leicht gebrochener Stimme. »Ich weiß nicht, was mit uns geschieht, Jo. Aber laß es nicht so mit uns enden.«
     
    KAPITEL 46 Sam stand mitten in dem großen Salon. »Joanna?« rief er schon zum dritten Mal, ohne eine Antwort zu erhalten.
    Verwundert und zunehmend besorgt, kehrte er in die Diele zurück. Noch immer stand die Wohnungstür offen, wie vorhin, als er draußen nach Joanna gesucht hatte. Gerade wollte er wieder hinausgehen, als er im Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Er blieb stehen und schaute genauer hin, doch es war nur sein Spiegelbild, sein heller Regenmantel, den er in einem Spiegel am anderen Ende des Flurs gesehen hatte.
    »Mr. Towne, Sir?«
    Hinter ihm tauchte der chinesische Diener auf.
    »Kann ich Ihnen helfen, Sir?«
    »Haben Sie Miss Cross gesehen? Sie hat Sie gesucht.«
    Der Diener runzelte die Stirn. »Miss Cross? Nein, Sir, ich Miss Cross nicht gesehen haben.«
    »Ich kam gerade aus dem Schlafzimmer, als ich die offene Wohnungstür sah. Ist sie vielleicht…?«
    Er trat vor die Wohnungstür und blickte in beide Richtungen, doch es war nichts von ihr zu sehen. Schließlich kam er wieder herein.
    »Warum um alles in der Welt ist sie denn einfach verschwunden?«
    Der Chinese wackelte mit dem Kopf zum Zeichen, daß er das auch nicht wußte. »Bestimmt sie kommen gleich zurück, Sir.«
    »Hoffen wir’s. Inzwischen rufen Sie einen Arzt und bringen Sie mir noch ein paar Decken – bevor Ihr Arbeitgeber an Unterkühlung stirbt.«
     
    Sie versuchte zu schreien, doch schiere Angst schnürte ihr die Kehle zu.
    Ralph Cazaubon rührte sich nicht. In seiner Haltung und seinem Ausdruck lag nichts offen Bedrohliches. Im Gegenteil, seine Miene wirkte traurig, beinahe zärtlich.
    Trotzdem machte sie kehrt und rannte um ihr Leben. Einmal drehte sie sich nach ihm um und sah, wie er ohne

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