Ex
Blick auf den Monitor verriet, war er sehr telegen.
Als die Show ihrem Ende zuging, forderte der Moderator Joanna zu einem Schlußwort auf. Sie beschränkte sich auf den Hinweis, daß die Welt des Übersinnlichen eine Sache sei, daß man jedoch unbedingt der Multimillionen-Dollar-Industrie, die davon lebte, zutiefst mißtrauen sollte. Mit ein paar Worten zum Thema des nächsten Tages (mal wieder Inzest) verabschiedete sich der Talkmaster, und eine Produktionsassistentin erschien und entfernte die Mikrofone der Gäste.
Die Einladung zum Kaffee in der Gäste-Lounge lehnte Joanna ab. Zwar hätte sie sich ganz gern noch länger mit Sam Towne unterhalten, aber die anderen drei deprimierten sie, sie kamen ganz offensichtlich aus derselben parasitären, heuchlerischen Ecke wie Ellie und Murray Ray.
Während der Fahrstuhl sie in rasanter Geschwindigkeit zur Eingangshalle an der Sixth Avenue hinunterbrachte, näherte sich ihre Stimmung dem Nullpunkt. Denn die Fragen aus dem Publikum hatten vor allem deutlich gemacht, wie sehr die Menschen an ihrem Glauben festhalten wollten. Für Joanna lag etwas zutiefst Trauriges in diesem Bedürfnis nach etwas, das über den normalen Alltag hinausreichte. Natürlich verstand sie es, sie war ja auch selbst nicht frei davon. Doch das hieß letztlich, daß es immer Leute wie die Rays geben würde. Auch wenn sie ein paar Ameisen zertreten hatte, herrschte im Ameisenhaufen nach wie vor Hochbetrieb.
In den vierzig Minuten, die die zusammengekauerte Gestalt nun schon auf dem niedrigen Mäuerchen neben dem gestutzten Immergrün wartete, war sie von kaum jemandem beachtet worden. Wie eine Katze, die einer Maus vor ihrem Loch auflauert, wandte Ellie Ray nicht eine Sekunde den Blick von der Drehtür. Die Esoterik-Mafia hatte ihr diesen einen, letzten Gefallen getan, auch wenn sich ihre Kollegen nach außen hin gezwungen sahen, sie zu verleugnen und in den allgemeinen Chor der Verdammnis mit einzustimmen. Ellie Ray hatte noch immer Freunde, und so war ihr zu Ohren gekommen, daß Joanna Cross hier in diesem Gebäude war, wo sie zusammen mit einigen Vertretern von Ellies Zunft in einer Fernsehshow auftrat.
Zwar hatte sie Joanna Cross nur in der wenig schmeichelhaften Verkleidung gesehen, die sie damals in Camp Starburst getragen hatte, doch Ellie erkannte die elegant gekleidete, dunkelhaarige junge Frau in dem grauen Raglanmantel sofort wieder, als diese mit forschem Schritt auf den leicht erhöhten Vorplatz des Studiogebäudes hinaustrat.
Joanna hingegen bemerkte nicht, wie sich eine Gestalt langsam in ihr Gesichtsfeld schob. Doch als sie die unterste der vier breiten Stufen zum Gehsteig erreichte, war ihr der Weg plötzlich versperrt. Der Anblick von Ellie Ray, die mit haßerfüllter Miene zu ihr herauf starrte, ging ihr durch Mark und Bein. Joanna wußte, daß diese Frau versucht hatte, ins Redaktionsgebäude einzudringen, und sie hatte sich mit der Tatsache abgefunden, daß eine unangenehme Begegnung früher oder später unvermeidlich war. So war ein Zusammen-treffen hier und jetzt, in aller Öffentlichkeit, wahrscheinlich nicht die schlechteste Gelegenheit, es endlich hinter sich zu bringen.
»Ich habe Sie gesucht«, preßte Ellie zischend zwischen ihren zusammengebissenen Zähnen hervor.
»Ich weiß«, gab Joanna zurück. »Aber ich habe Ihnen nichts zu sagen. Gehen Sie mir bitte aus dem Weg.«
»Miststück!«
Joanna wollte der zwergenhaften Gestalt ausweichen und weitergehen, doch plötzlich wurde ihr Arm wie von einer stählernen Kralle gepackt.
»Murray ist tot.«
Ellie spie die Worte aus, noch bevor Joanna überhaupt versuchen konnte, sich loszureißen. Eine Sekunde lang erstarrte sie. Der Tod eines Menschen, den man, egal wie flüchtig oder unter welchen Umständen, gekannt hat, läßt einen niemals ganz kalt. Und die Nachricht von diesem Tod traf sie ganz besonders, denn sie konnte Ellie ansehen, was als nächstes kam.
»Sie haben ihn auf dem Gewissen. Und dafür werden Sie bezahlen.«
»Es tut mir leid, daß ihr Mann gestorben ist«, erwiderte Joanna gemessen. »Aber ich habe nicht das geringste damit zu tun…«
»Wir haben alles verloren, und das ist Ihre Schuld«, fuhr Ellie fort, als hätte Joanna überhaupt nicht den Mund aufgemacht; sie nahm ihren Einwand einfach nicht zur Kenntnis. »Nur noch sechs Monate und wir wären aus dem Geschäft ausgestiegen, mit einem kleinen Vermögen auf der Bank. Nun ist Camp Starburst praktisch unverkäuflich, man kriegt nichts als
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