Ex
Skeptiker verwandelt, der noch das letzte Hintertürchen erforschte, bis alle Gewißheit hinter einem Nebel von Zweifel und Mehrdeutigkeit verschwand. Und sie hatte das alles satt.
»Vielleicht hat Roger recht«, meinte sie. »Es kommt nicht darauf an, was wir glauben. Es gibt keine endgültige Theorie.«
»Das heißt nicht, daß unser Glaube unwichtig ist…«
»Sag mir, Sam, woran glaubst du?«
»Glauben?« Er schien ein wenig verblüfft über ihre Frage. »Du meinst in bezug auf Leben, Tod, Universum und so?«
Ungerührt von dem Sarkasmus in seiner Stimme wartete sie auf eine Antwort.
»Nun«, erwiderte er nach einer Weile, »ich glaube – wie Sokrates –, daß das unerforschte Leben nicht lebenswert ist.«
»Wie steht es mit Gut und Böse? Glaubst du daran?«
»Als antagonistische Kräfte, die im ständigen Widerstreit miteinander liegen?« Er schüttelte den Kopf. »Nein.«
Sie nahm seine Antwort gleichmütig hin.
»Weißt du, was mir nicht mehr aus dem Sinn geht?« meinte sie. »Was Pete über Hexerei gesagt hat, was dabei vor sich geht.« Sie verstummte. »Aber das ist in deinen Augen ja nur Aberglaube, oder?«
Er zuckte die Achseln und lächelte sie wieder schuldbewußt an. »Ja.«
Reglos standen sie da und sahen einander in die Augen.
»Bleib bei mir«, sagte er.
Es war eine Bitte von rührender Schlichtheit. Aber Joanna schüttelte den Kopf.
»Nicht heute nacht. Ich werde eine Schlaftablette nehmen und acht Stunden lang alles vergessen, damit ich mich morgen wieder halbwegs wie ein Mensch fühle.«
Am Lift gaben sie sich einen scheuen Kuß, aber Joanna meinte, er brauche nicht mit hinunterzufahren. Nachdem der Regen aufgehört habe, gebe es um diese Zeit bestimmt genügend Taxis, beharrte sie. Sie hatte weniger das Bedürfnis, ihn abzuschütteln, als allein zu sein und ihren Gedanken nachhängen zu können – oder überhaupt nicht nachzudenken. Allein die Gegenwart eines anderen Menschen – irgendeines Menschen – war für ihre bloßliegenden Nerven eine Qual.
»Himmel«, dachte sie, während sie durch die Gittertür des abwärts fahrenden Lifts die Stockwerke zählte, »was für ein elender, gottverdammter Mist.«
KAPITEL 33 Drei Tage später war die Beerdigung. Joanna und Sam gingen hin, zusammen mit Pete. Roger mußte bei einer Konferenz einen Vortrag halten, den er bereits vor Monaten zugesagt hatte. Und Ward hatte Sam am Vortag auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, daß er in Stockholm sei und den Mann gefunden habe, den er treffen wollte, er würde sich demnächst wieder melden.
Mehr als hundert Angehörige und Freunde waren zum Begräbnis gekommen. Father Caplan – ein kleiner, untersetzter, kahlköpfiger Mann über sechzig – hielt eine bewegende Rede. An dem anschliessend stattfindenden Empfang für die Trauergäste nahmen Joanna, Sam und Pete nicht teil, sie fuhren wortkarg mit dem Taxi zurück nach Manhattan.
Keiner hatte sie gefragt, warum sie zu der Beerdigung gekommen waren oder in welcher Beziehung sie zu Drew und Barry gestanden hatten. Dabei hatten die drei vorher vereinbart, auf derartige Fragen wahrheitsgemäß zu antworten. Daß nun niemand Näheres hatte wissen wollen, verstärkte nur Joannas unbehagliches Gefühl, in eine Verschwörung hineingeraten und von der übrigen Welt durch ein Geheimnis abgeschnitten zu sein, das sie niemandem anvertrauen konnte.
Zuerst stieg Joanna aus, vor dem Redaktionsgebäude von Around Town. Sie winkte kurz, sah dem davonfahrenden Taxi aber nicht nach. In Gedanken war sie ganz bei der Entscheidung, die sie heute morgen getroffen hatte und die sie jetzt durchsetzen mußte. Sie wollte Taylor Freestone mitteilen, daß sie an dem Projekt nicht weiterarbeiten konnte. Und wenn er nicht die Exposes behalten hätte, die sie für ihn geschrieben hatte, dann hätte sie diese jetzt samt ihrer Notizen ebenfalls vernichtet. Dies war nichts, was die Leute lesen sollten. Das war ihr klargeworden, auch wenn sie sich die Gründe dafür selbst nicht erklären konnte.
Doch am Telefon teilte ihr Taylors Sekretärin mit, daß er sich in einer Konferenz befinde. Sie würde ihm aber ausrichten, daß Joanna ihn so bald wie möglich zu sprechen wünsche. Zwanzig Minuten später kam er zu ihr ins Büro. Das war eine seiner Marotten. Immer wenn er sichergehen wollte, das letzte Wort zu behalten, suchte er die Leute an ihrem Arbeitsplatz auf, anstatt sie zu sich kommen zu lassen. Woher er nur geahnt hatte, daß dieses Gespräch eine solche Wendung
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