EXCESS - Verschwörung zur Weltregierung
mit Josephina zusammen zu sein. Und er freute sich darauf, bald Vater zu werden. Ihr Wiedersehen am Dienstagvormittag würde keiner von beiden je vergessen. Josephina, die ihn unter den Toten in Sandrock wähnte. Tim, der nicht wusste, dass sie schwanger war. Nachdem sie beide Tage des Terrors hinter sich hatten, das Ende der Welt nahe wähnten oder den Tod des Partners glaubten verkraften zu müssen, Freunde verloren und sich wiedergewonnen hatten, wurde der Dienstag zum Tag ihres Lebens.
Stundenlang erzählten sie sich von ihren Erlebnissen. Tim vom eskalierenden Wahnsinn, der aus dem Fernseher gequollen war, von seinem Auftritt auf ›NBC‹, vom Kamikazeflug der Boeing 767 ohne Piloten, von seiner Flucht durch den Canyon. Josephina von ihrem Schwangerschaftstest, den zahllosen Anrufen nach Sandrock, dem Tag, als sie an der Straßensperre zurückgewiesen wurde mit dem Hinweis, Tim sei in die Ferien gefahren. Nach mehrfachem physischem Nachvollzug ihrer Wiedervereinigung holte Josephina in der Stadt einen Berg von mexikanischen und italienischen Delikatessen. Es wurde die Mutter aller Partys.
Obwohl ihm nichts lieber gewesen wäre, als bei Josephina zu bleiben, hatte Tim entschieden, ihre Wohnung noch heute zu verlassen. Aus den Medien wussten sie, dass die Untersuchung der Leichen oder wenigstens die Feststellung ihrer Identität vielleicht nur ein oder zwei Wochen in Anspruch nehmen würde. Spätestens dann wäre Washington klar, dass er nicht unter den Toten war. Man würde ihn suchen. Also musste er sich verstecken. Doch wie lange konnte man im Untergrund bleiben? Er und Josephina sahen die einzige Hoffung darin, dass Texas tatsächlich eine unabhängige Republik würde. Die Regierung der neuen Republik wäre wohl in der Lage – und vor allem willens – ihn vor dem langen Arm Washingtons zu schützen. Um die gute Sache zu unterstützen, hatte Josephina zweihundert Dollar an die TFP überwiesen. Außerdem volontierte sie als Wahlkampfhelferin und verteilte nach Arbeitsschluss in den Einkaufszentren und Restaurants Amarillos TFP-Broschüren.
Die Verschlagenheit Washingtons glaubten Tim und Josephina am deutlichsten beim Anschlag auf das JIS-2-Gebäude zu erkennen. Die CIA habe den JIS-2 unterwandert, um in der JIS-2-Zentrale einen Sprengsatz zu platzieren. Dieser war am Dienstag just in dem Raum detoniert, von dem aus der JIS-2 das Manöver Southern Countdown 16 beobachtet habe. So berichtete die Texas Times und andere Medien. Zwar dementierten sowohl CIA wie auch JIS-2 diese Gerüchte, aber Tim schenkte den Dementis keinen Glauben. Die CIA stritt es aus offensichtlichen Gründen ab. Der JIS-2 wohl nur, weil man in Europa Angst vor den Konsequenzen einer Bestätigung entsprechender Meldungen hatte – schließlich schreckte Washington vor nichts zurück. Wie die Texas Times aus nachrichtendienstlichen Quellen aus dem Umfeld des JIS-2 wusste, war vermutlich ein gewisser Fred Trust ein Doppelagent gewesen. Er arbeitete offiziell für den JIS-2. Die CIA habe ihn aber – darauf deute alles hin – gekauft, um die Beweise des JIS-2 für eine Involvierung Washingtons in den Giftgasvorfall zu zerstören. Man vermute, dass Trust beim Versuch, eine Sprengladung zu installieren, ein Fehler unterlaufen sei und er dadurch selbst zum Opfer seiner eigenen Verschlagenheit wurde.
Wegen ihrer, wie sie fanden, ausführlichen und mutigen Berichterstattung hatten sich Tim und Josephina sogar entschieden, die Texas Times zu abonnieren. Präsidentin Adams, für die Tim und Josephina noch bis letzten Dienstag nicht wenige Sympathien empfunden hatten, war für sie jetzt nur noch eine falsche Schlange. Eine Teufelin.
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Samstag, 24. September 2016
Am frühen Nachmittag durchbrach Sirenengeheul die ländliche Idylle von Bolligen. Der Krankenwagen raste am Gemeindehaus vorbei die Zentralstra ß e entlang und bog in den Klosterweg ein. Vor David Islers Haus hatte er sein Ziel erreicht. Zwei Sanitäter und ein Notarzt sprangen aus dem Auto und hasteten Richtung Haustür, wo sie bereits von einer aufgelösten Angela Isler erwartet wurden. Bestürzte Blicke von Nachbarn über Gartenzäune.
»Kommen Sie schnell«, winkte sie die Helfer herbei. »Er ist einfach umgefallen.« Der Tross eilte ins Haus. Die Tür ging zu.
Wenige Minuten später kamen die beiden Sanitäter wieder heraus, öffneten die Heckklappe des Rettungswagens, entnahmen die Trage und kehrten wieder zurück. Kurz darauf sahen die
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