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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Zeit hinwegzuhelfen. Gewiß, auch sie hatte zu leiden, es wird eine Zeitlang skandalöses Pressegewäsch um sie herum sein: aber was war das im Vergleich mit dem, was seine Neigung für Lea über ihn heraufbeschworen hatte? Seine Stellung war erschüttert, und daß er sich vor dem Parteigenossen so mutig vor Lea hingestellt hatte, trug nicht dazu bei, sie zu festigen.
    Immerhin war es ihm angenehm, daß er ihr nicht ins Gesicht schauen mußte. Bei ihren Freunden im Süden wird sie von der scheußlichen Sache noch nichts gehört haben. Er meldete ein Telefongespräch mit ihr an. Es trifft sich gut, daß er ihr als erster Mitteilung machen und sich dabei gleich mit ihr auseinandersetzen kann.
    Aber es kam anders, als er erwartete. Das erstemal nach so vielen Jahren mußte Wiesener erleben, daß Lea die Fassung verlor. Sie, die sonst mit unfehlbarer Sicherheit das rechte Wort fand, konnte diesmal nur zurückfragen, mit versagendem Atem: »Wie? Ich habe nicht verstanden.« Und als er zu Ende war, wußte sie nichts zu entgegnen, und ein Schweigen war, und er fragte: »Bist du noch da?« Doch statt ihrer antwortete nur die Telefonistin. »Sind Sie zu Ende?« fragte sie, und: »Wirsprechen noch«, erwiderte er hastig, aber Lea sprach nichts mehr, nur er sprach. Als er merkte, wie aufgerührt sie war, fragte er, ob er nicht kommen dürfe, sie zu sehen. Aber sie lehnte ab, hastig, gepreßt.
    Und dann war das Gespräch wirklich zu Ende, und er saß erschöpft, tief beunruhigt. Sein schöner Optimismus war verflogen. Er hatte sich vor der Unterredung mit Heydebregg gefürchtet, mit Lea aber, hatte er gedacht, werde er leichtes Spiel haben. Er war sich geschickt vorgekommen, war stolz gewesen auf seinen Instinkt. Da saß er jetzt.
    Maria meldete, der Parteigenosse sei am Apparat. »Sagen Sie, ich sei nicht zu Hause«, gab er ihr schnell Weisung. Sie zögerte einen Augenblick, aber sie erwiderte nichts.
    Eine lange Weile saß er allein. Dann ging er hinüber zu Maria. Sie arbeitete, ohne ihn zu beachten. Er ärgerte sich. Warum fragte sie ihn nichts? Warum sprach sie nicht mit ihm über das, was doch das Wichtigste war? Wie konnte sie so ruhig dasitzen und ihren Blödsinn tippen? »Hören Sie bitte auf«, sagte er, »Ihre Maschine macht mich nervös.« Sie stellte ihre Arbeit sogleich ein, aber sie fragte ihn noch immer nichts. Schließlich begann er von selber, berichtete ihr von dem Gespräch mit Heydebregg, ausführlich, wiederholte einzelne Wendungen, knüpfte Betrachtungen an. Sie hörte aufmerksam zu. »So sagen Sie doch ein Wort«, drängte er, »so helfen Sie mir doch.« – »Ich fürchte«, sagte sie schließlich, »es wird so nicht weitergehen. Ich fürchte, Sie werden die Verbindung mit der Rue de la Ferme abbrechen müssen.« Sie schaute ihn nicht an, sie sprach sachlich, doch so, daß er ihre Teilnahme heraushören mußte; auch war es freundlich von ihr, daß sie »ich fürchte« gesagt hatte. Aber gerade ihr Mitleid ärgerte ihn. Sie saß da wie ein lebendiger Vorwurf.
    »Parteigenosse Heydebregg schien sich zu wundern«, berichtete sie, »daß Sie nicht erreichbar waren. Ich habe ihm gesagt, Sie würden anrufen, sobald Sie nach Hause kämen. Sie können ihn nicht zu lange warten lassen.« Er hatte sich auf die Couch fallen lassen, teilnahmslos, trüb. Heute früh hatteer sich gefreut auf eine zweite Unterredung mit dem Parteigenossen. Jetzt war er mutlos.
    Noch bevor er einen Entschluß fassen konnte, kam Raoul.
    Der Junge war erregt wie nie. Seine grüngrauen Augen waren verdunkelt, sein fleischloses Gesicht verschwitzt und vor Aufregung grau, er atmete, als hätte er schwere körperliche Anstrengung hinter sich. »Ich möchte Sie allein sprechen«, stieß er hervor. »Ich habe keine Geheimnisse vor Maria«, sagte ablehnend Wiesener. »Ich möchte Sie allein sprechen, Monsieur«, beharrte Raoul.
    Wiesener führte ihn in die anstoßende Bibliothek und schloß die Glastür. »Da«, machte der Junge, zog eine Anzahl Scheine heraus und warf sie Wiesener hin, »ich will kein Geld mehr von Ihnen haben. Da haben Sie Ihr Geld zurück.« Heftig hatte er die zerknüllten Scheine auf den Tisch geworfen, zwei waren zu Boden gefallen. »Möchtest du sie nicht aufheben?« fragte Wiesener, es klang gefährlich ruhig. Er konnte nicht zählen, wieviel Geld der Junge ihm hingeworfen hatte, aber so viel sah er, daß es weniger war als die tausend Franken, die er ihm gegeben, und so gespannt er darauf wartete, was Raoul ihm weiter

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