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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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nicht aufstehen lassen, sie würde es nicht dulden; es ist ihm eine Genugtuung, daß er etwas gegen ihren Willen tut, daß er sie hintergeht. Listig lächelnd, leicht überfröstelt, setzt er sich an die Schreibmaschine. So vorsichtig ist er immerhin, daß er den abgetragenen Schlafrock umnimmt und sich noch eine Decke über die Knie breitet.
    So, jetzt ist er viel besserer Laune. Er beginnt zu schreiben. Aber sieh da, es geht nicht. Die Schreibmaschine war schon die ganze Zeit nicht recht in Ordnung, jetzt versagt sie völlig. Gerade jetzt, wo er sie am notwendigsten braucht.
    So ist es immer. Mit tausend kleinen, unwichtigen Sachen gibt sich Anna ab, und das Wesentliche versäumt sie. Sie ist so verdammt tüchtig, daß man sich vor ihr die meiste Zeit wie ein Schulbub vorkommt, der was angestellt hat, und wenn es um etwas Wichtiges geht, versagt sie. Wenn sie nicht ganz kopfloswäre, müßte sie sich doch klarmachen, daß für einen Schriftsteller sein bißchen Handwerkszeug das wichtigste ist. Viel braucht er sowieso nicht. Aber nein, da hockt sie Stunden, Tage, Wochen bei ihren albernen Pereyros herum, für ihren albernen Rundfunkehrgeiz, und die halbe Stunde oder die Stunde, die es kostet, die Schreibmaschine zur Reparatur zu tragen und wieder abzuholen, die bringt sie nicht auf.
    Er ist ehrlich wütend. Da soll er einem nicht rauchen, da soll er einem nicht stinken, denkt er vulgär, auf gut bayrisch. Daß er schließlich seine Sätze auch mit dem Bleistift oder mit der Feder schreiben könnte, läßt er nicht in sein Bewußtsein. Nun die Schreibmaschine versagt, durch Annas Schuld, gibt er es überhaupt auf. Anna hat ihn wieder einmal darum gebracht, eine gute Idee auszuführen. Wütend schmeißt er den Schlafrock und die Decke zur Erde und kriecht zurück ins Bett. Löscht das Licht, ärgert sich über die Helligkeit der Bogenlampe, liegt in finstern Gedanken. Er ist unglücklich, fieberig, ergrimmt über Anna, über Hanns, über sich selber, über die Welt.
    Es klopft. Er schrickt hoch. Wer kann das sein? Soll er öffnen? jetzt ist jede Gesellschaft besser als keine. Er steht auf, seufzend, leicht schwitzend, wackelig, schwer atmend, geröteten Gesichtes, getrübten Auges, mit laufender Nase, äußerst unrepräsentativ.
    Vor der Tür steht Erna Redlich. Sie ist überrascht, wie Sepp ihr selbst öffnet, schlotterig, das eine Bein des Schlafanzugs hochgerutscht. »Ich habe nicht gedacht, daß Sie allein seien«, erklärt sie. »Das war auch nicht anzunehmen«, erwidert er ein bißchen grimmig, befriedigt, daß also seine Entrüstung über Anna berechtigt ist. Er läßt Erna eintreten und kriecht ins Bett zurück. Es stellt sich heraus, daß sie gekommen ist, um ihm den Bürstenabzug eines Artikels zu bringen, der nicht gerade eilig ist, aber doch besser in der nächsten Nummer erscheint und so, wie er dasteht, ihrer Meinung nach nicht veröffentlicht werden kann. »Außerdem«, lächelt sie, »wollte ich mich erkundigen, wie es Ihnen geht.«
    So erzürnt er gegen seine Frau ist, so dankbar ist er ihr. Sie machen sich gleich ans Werk, den Aufsatz zu korrigieren. Sie ist beflissen, und er anerkennt froh, wie leicht und angenehm es sich mit ihr arbeitet. Wie man mit der Korrektur fertig ist, will sie gehen. Doch er hält sie zurück. In seinem Zustand, findet sie, ist es sicher nicht das richtige, wenn er Besuch hat und schwatzt; aber er bittet so dringlich, daß sie sich nicht weigern kann. Sie bleibt. Später erklärte sie noch mehrmals, sie wolle gehen; allein er fleht geradezu, sie möge ihm weiter Gesellschaft leisten. Er werde nicht reden, er werde die Augen zumachen, und auch sie möge nichts sagen, wenn sie das für besser halte, aber bleiben solle sie. Es sei scheußlich, hier in dem scheußlichen Zimmer in der fremden Stadt zu liegen, krank und allein, und die Bogenlampe schaut herein.
    So vergeht die Zeit, und unerwartet früh, schon ein paar Minuten vor elf Uhr, kommt Anna zurück. Sie hat es eilig gehabt, zu kommen. Was sie zurückgetrieben, ist nicht nur die Sorge um Sepp, es ist auch eine frohe Mitteilung, die sie ihm nicht früh genug überbringen kann: es hat geklappt, der Vertrag mit dem Rundfunk ist perfekt, und jetzt schneit Geld und Ehre ins Haus.
    Da aber steht Erna Redlich, und Anna, die schon mit ihrer freudigen Nachricht herausplatzen wollte, stockt das Wort im Mund. Immerhin gelingt es ihr, sich zu beherrschen. Sepp versucht zu erklären; er sagt, was ist. Fräulein Redlich habe ihm

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