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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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freundlicherweise den Bürstenabzug eines dringlichen Artikels gebracht, und er, um nicht allein zu bleiben, habe sie gebeten, Anna abzuwarten. Er erklärt das reichlich mürrisch. Er ist gereizt gegen Anna; es verdrießt ihn, daß die gutmütige Erna unschuldig in eine zweideutige Situation geraten ist.
    Anna nimmt seine Erklärung kühl auf, aber sie bleibt weiter beherrscht. Nur sehr trocken ist sie. So macht man fünf Minuten gezwungene Konversation, dann verabschiedet sich Erna. »Willst du Fräulein Redlich nicht den Lift zeigen?« fragt Sepp, ungewohnt schulmeisterlich. Anna, wortlos, fügt sich, obwohl Erna protestiert, sie finde schon von allein.
    Anna kommt zurück. Sie ist noch im Abendkleid, sie sieht sehr gut aus, sie stellt etwas vor, das konstatiert trotz seines Verdrusses sogar Sepp. Ja, sie ist eine schöne Frau, und es regt sich in ihm etwas von den Gefühlen, die er in ihrer ersten Zeit empfunden hat. Doch schon wie von unten das leise, dumpfe Geräusch kommt, mit dem die große, alte Tür des Hotels hinter Erna ins Schloß fällt, ist diese Empfindung wieder fort, und es bleibt ihm nichts zurück als der Ärger über das Alleinsein, die Schreibmaschine, die unerwünschte Unterbrechung von Ernas Besuch.
    Mürrisch schweigend liegt er da. »Na, da hast du also wenigstens Gesellschaft gehabt«, konstatiert nach einer Weile Anna. »Ja«, erwidert Trautwein und schaut sie ungut an. »Ich habe es brauchen können«, fügt er hinzu.
    »Der Rundfunkvertrag ist übrigens perfekt«, sagt Anna. Sie hat sich diese Minute anders vorgestellt. Die ganze Zeit hat sie sich darauf gefreut, wie sie ihm das mitteilen wird, strahlend, und wie er seinesteils anfangen wird, zu strahlen und ihre Umsicht zu rühmen. Jetzt ist alles verhunzt. Sie ist wirklich nicht eifersüchtig auf das kleine, unbedeutende Geschöpf, aber sie hat eine wilde Wut, daß diese armselige Erna und Sepps blöde Ungeschicklichkeit ihr und ihm jetzt eine der besten Stunden ihres Lebens kaputtgeschlagen haben. Verkünden wollen hat sie ihm die fröhliche Botschaft, und jetzt, es ging einfach nicht anders, hat sie sie ihm an den Kopf geworfen. »Der Rundfunkvertrag ist übrigens perfekt.« Nein, so hat sie sich das nicht vorgestellt.
    »So?« erwidert Sepp. »Dann hättest du also eigentlich gar nicht mehr zu Pereyros hinbrauchen.«
    Diese bösartige Verstocktheit, dieses Nichtsehenwollen, diese maßlose Kränkung schlägt dem Faß den Boden aus. Warum hat er das gesagt? Doch nur, um ihr weh zu tun. Sie hat sich ihr ganzes Leben lang für ihn abgeschunden. Sie hat diese letzten beiden Jahre durchgemacht, nur für ihn. Das ist der Dank.
    Sie sagt sich: Er ist krank. Er fühlt sich in meiner Schuld.Deshalb schlägt er zurück. Daß ich das geschafft habe, diese Rundfunkaufführung, daß ich ihm die Nachricht gebracht habe, während die Person da war, das erhöht natürlich sein Schuldgefühl. Er muß sich doch sagen: sie rackert sich für mich ab, und ich amüsiere mich inzwischen mit der kleinen Nutte. Er ist ungeschickt, er rumpelt immer mit allem heraus und denkt nicht daran, wie es auf den andern wirkt. Er hat mir weh tun wollen, aber wahrscheinlich nur in dem einen Augenblick, in dem er es sagte, und sicher bereut er es schon. Es liegt nicht an ihm, wenn es mich so getroffen hat. Das Leben in der Emigration macht einen überempfindlich. Ich darf mich jetzt nicht gehenlassen. Ich darf nicht schon wieder die Nerven verlieren. Er ist krank. Ich will ihm noch etwas zu schwitzen geben und mich um nichts anders kümmern als um seine Grippe. Er ist ein dummer, ungezogener Junge, aber er ist mein Junge, und ich darf es ihn nicht entgelten lassen, daß er Dummheiten macht, wenn er krank ist.
    Sie sagt also nichts. Wortlos zieht sie sich aus und verwahrt sorgfältig ihr Abendkleid, es muß noch lange halten.
    Er hat inzwischen bedacht, was für eine grobe, lieblose, bösartige, dumme Antwort er ihr da gegeben hat, und er bereut es. Er wartet darauf, daß sie was sagen werde. Er beschließt, großmütig zu sein. Je gröber sie ihm seine Tolpatschigkeit vorwerfen wird, um so höflicher, beschließt er, wird er sich entschuldigen und alles wiedergutzumachen trachten. Aber sie wirft ihm nichts vor. Sie schweigt, sie zieht sich um. Dann gibt sie ihm ein Aspirin und legt neue Bettücher zurecht sowie ein neues Nachthemd, um rechtzeitig die Wäsche zu wechseln, wenn er schwitzt.
    Sie will sich also nicht mit ihm aussprechen. Sie zieht es vor, glühende Kohlen auf

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