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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Kuvert mit einem Scheck, dem Honorar für die Aufführungsrechte der »Perser«. Es lautete aber dieser Scheck auf neuntausend Franken. Auch in ihren kühnsten Schätzungen nicht hatte Anna soviel erwartet; sie hatten jetzt auf mindestens ein halbes Jahr Geld für eine breitere Lebensführung. Allein auch diese Freude verjagte nicht ganz die Verstimmung darüber, daß durch die Ungebärdigkeit und Unvernunft, mit welcher Sepp auf der Einladung der beiden unmöglichen Burschen bestanden hatte, der schöne Abend gestört worden war.
    Dieser Sepp selber wurde immer grimmiger und immer vergnügter. Riemann war ein guter Freund und ein ausgezeichneter Musiker. Das hatte er erst heut abend wieder bewiesen, indem er gekommen war und so vernünftig über »Die Perser« gesprochen hatte. Aber er war trotzdem ein Schisser und ein Lump. Die ganzen Tage her hatte Sepp der Verdruß über Riemanns Waschlappigkeit gekratzt, und je mehr der Abend vorrückte, um so mehr freute es ihn, daß Tschernigg dem Riemann so heimgegeigt hatte.
    Hanns hatte schweigend und interessiert zugehört. Riemann gefiel ihm gut, Tschernigg gar nicht. Aber ein Mensch wie Riemann, der begabt war und also wissen mußte, was für Scheißkerle die Nazi waren, durfte einfach nicht zu ihnen halten, auch nicht mit inneren Vorbehalten. So einer gehörte einfach an die Wand gestellt. Tschernigg hatte recht.
    Pereyros waren gutmütig. Aber sie konnten einen inneren Seufzer nicht unterdrücken: leicht hatte man es nicht mit den deutschen Emigranten.
    Man brach bald auf. Die Familie Trautwein blieb mit Tschernigg und Harry Meisel allein zurück. Trautwein, nun man unter sich war, wurde immer aufgekratzter. »Das war eine Scheißaufführung«,resümierte er, »aber sie hätte noch schlechter sein können. Und an den ›Persern‹, wenn sie auch nicht so viel hergeben, wie ich ursprünglich wollte, ist auch was dran.« – »Etwas schon«, meinte trocken Tschernigg.
    Trautwein erklärte, jetzt, da die Großkopfigen nicht mehr da seien, kriege er erst den richtigen Appetit, und er forderte auch die andern auf, sich über die üppigen Reste des Buffets herzumachen. So geschah es. Man setzte sich von neuem zum Essen. Sepp, Tschernigg und Harry führten eine vergnügte Unterhaltung und beschimpften einander mit spitzen, gescheiten, grimmigen, nihilistischen Reden, die Hanns recht unvernünftig vorkamen.
    Anna hatte zunächst nicht ohne Bitterkeit auf den verwüsteten Tisch geschaut, auf das beschmutzte Tischtuch, die Aschenreste, die vielen halbgeleerten Gläser. Diese Ausgabe hätte sie sich schenken können. Dann aber schaute sie ihren Mann an, ihren Sepp: er hatte genau so reagiert, wie sie es erwartet hatte, ein Künstler, ein Kind und ein Mann. Er wandte sich an Anna, er sagte zu ihr: »Das hast du gut gemacht, Alte. Der Rundfunk ist ein Dreck, aber du bist doch die Rechte. Und so was Gescheites, wie du’s mir damals über die Horaz-Oden gesagt hast, das sagt mir doch keiner mehr.« Und er küßte kräftig die sich kräftig Wehrende. Dann aß auch sie mit den andern, mit herzhaftem Appetit.
11
Sonett 66
    Anna, bei aller Anerkennung der Versübersetzung, die Tschernigg zu den »Persern« beigesteuert hatte, fand, es genüge, wenn Sepp ihm den zehnten Teil des erhaltenen Honorars aushändige; doch Sepp gab ihm ein Fünftel, volle achtzehnhundert Franken. »Der Fink hat wieder Samen«, freute sich Tschernigg, als Trautwein ihm das Geld überreichte, und trotz seines Nihilismusund seiner Bedürfnislosigkeit erhöhte der Besitz der achtzehnhundert Franken seine Grundstimmung merklich.
    Sepp war in diesen schönen Maitagen viel mit Tschernigg und Harry Meisel zusammen. War ihm der Junge damals, als er ihm von dem fait accompli gesprochen, als ein Unheilverkünder erschienen, so sah er jetzt, seitdem sich herausgestellt hatte, daß Friedrich Benjamin am Leben war, an Harry nur mehr das Glänzende, und er hatte kein Aug mehr für das Überhebliche, Weltschmerzliche, Versnobte. Harry war übrigens in dieser letzten Zeit streitsüchtig geworden. Das ständige enge Zusammensein mit Tschernigg bewirkte Reibungen. Fast jeden Tag, halb spaßhaft, halb im Ernst, zerstritten sich die beiden und versöhnten sich wieder; häufig mußte Trautwein vermitteln. Fast war ihm Harry Meisel lieber geworden als Tschernigg; doch es gelang ihm nicht, dem Jungen näherzukommen. Der, obwohl keineswegs wortkarg und immer sehr höflich, sperrte sich zu. Er zeigte Sepp einen höhnischen Widerstand,

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