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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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uns heilig.‹ Bedenken Sie das bitte, junger Herr. Und bedenken Sie, wie schädlich sich im besonderen Fall gerade ein geglücktes Attentat auf den Führer auswirken müßte. Einmal hätten dann die Nazi an Stelle ihres dürftigen Horst Wessel so was wie einen wirklichen Heiligen und Märtyrer, mit dem sie ganz anders Staat machen könnten. Dann aber«, er lächelte listig, »hätten sie einen zweiten, noch viel größeren Vorteil. Soviel haben sogar die Nazi begriffen, daß die einzige Eigenschaft, derenthalb das Kapital den ›Führer‹ einsetzte, der Kredit war, den er sich mit Hilfe dieses Kapitals beim Pöbel verschafft hatte. Wenn jetzt, wo der Kapitalismus in Deutschland in seiner schärfsten Form,als Faschismus, für eine Weile fest in der Macht sitzt, wenn jetzt der ›Führer‹ verschwinden sollte, dann kann es sich das Kapital leisten, ihn, der nichts als Kredit beim Pöbel hatte, durch einen Mann zu ersetzen, der was von Politik versteht.« So, auf schalkhafte Art und auf ernsthafte, redete der Buchbinder auf Klemens Pirckmaier ein, ihm immer von neuem einschärfend, er möge diese Bedenken seinem, fingierten, Freunde recht deutlich machen.
    Klemens hörte gut zu und bedankte sich schüchtern und höflich. Aber auf dem Nachhauseweg sah Hanns, daß Vater Merkles Worte auf den Kameraden keine Wirkung getan hatten. Vielmehr kroch Klemens jetzt selbst vor Hanns in die sanfte Verstocktheit zurück, die ihm früher eigen gewesen war.
    In dem Internat angekommen, wo er erzogen wurde, konnte er die Gesichter und die Reden der andern heute einfach nicht vertragen. Er mußte allein sein. Er schloß sich ins Klosett ein und dachte nach. Der alte Buchbinder mochte ein gescheiter Mann sein, auch Hanns war gescheit und ein guter Freund. Aber sie hatten den Glauben nicht, darum verstanden sie ihn nicht. Er rang mit sich selber und suchte zu ergründen, ob sein Plan von Gott komme oder vom Satan. Sein innerer Kampf dauerte lange. Man rüttelte an der Tür seines Zufluchtwinkels, und schließlich mußte er ihn verlassen. »Ist dir schlecht?« fragten die andern, so mitgenommen und verstört sah er aus.
    Sepp Trautweins Erfolg bei dem Meeting für Friedrich Benjamin hatte ihn wieder aktiver gemacht, zuversichtlicher. Während er es in den letzten Wochen stumpf hingenommen hatte, daß die Entfremdung zwischen ihm und Hanns wuchs, sagte er sich nun, so dürfe das nicht weitergehen. Zwei intelligente Menschen, beide guten Willens, Vater und Sohn, da mußte es doch eine Möglichkeit geben, sich zu verständigen. Der Bub war hartköpfig, das hatte er von ihm, er selber war kein Geduldiger. Aber schließlich wollte man doch das gleiche, undwenn man sich fest vornahm, sein Temperament unter keinen Umständen durchgehen zu lassen, dann mußte es was werden.
    »Also jetzt schieß einmal los, Hanns«, sagte er eines Tages, als er mit ihm allein war. »Wie steht’s mit eurer Volksfront? Wie weit seid ihr?«
    Hanns errötete vor Freude, daß einmal Sepp das Thema anschnitt, und erzählte stolz, wie eifrig die jungen Menschen aller Parteien die Idee aufgriffen. Sie alle verstünden, daß ohne Solidarität die Emigration ihre politische Tätigkeit glatt aufgeben könne. Es sei lächerlich, wenn kleine, zersplitterte Parteien gegen eine so gut organisierte Macht wie den Staat der Nazi aufkommen wollten.
    Sepp, in dem neu überzogenen Lehnstuhl sitzend, die Beine weit von sich gestreckt, gab das gemütlich zu. Er verlange nur eines, meinte er, daß man ihm nämlich Rede- und Gedankenfreiheit lasse auf allen Gebieten, die nicht unmittelbar mit dem Kampf gegen den Faschismus zu tun hätten. »Ich will nicht«, erklärte er, »weil ich zu Hitler nein sage, zur Sowjetunion ja sagen müssen.« Er sprach nicht angreiferisch, sondern münchnerisch behaglich. »Es verlangt ja auch kein Mensch«, erwiderte Hanns, »daß du zur Sowjetunion ganz und ungeteilt ja sagst. Aber daß der eine Verbündete vom andern behauptet, er sei ein Lump und Scheißkerl, und es sei traurig, daß man sich mit solchem Gesindel einlassen müsse, das scheint mir auch nicht das Wahre.«
    »Wenn aber«, gab Sepp zurück, »der andere Partner alle Meinungs- und Redefreiheit totschlägt und noch nach achtzehn Jahren nur mittels Terrors und Diktatur regieren kann, muß man dazu auch das Maul halten? Darf man da nicht sagen, das ist ein Saustall, oder vielmehr«, zitierte er, sich rasch und lächelnd korrigierend, Hanns, »das scheint mir auch nicht ganz das Wahre?«
    Und

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