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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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verfehlten Zusammenkunft im »Chasseur d’Afrique«, hätte ihr die Gründe darlegen müssen, aus denen er damals weggelaufen war. Er war das ihr und sich selber schuldig. Aber er hatte nie recht gewußt, wie anfangen. Sie pflegte, wenn sie ihn sah, ein gutmütig überlegenes, spitzbübisches Lächeln aufzusetzen, das ihm die Rede verschlug. Ein ordentlicher Krach wäre ihm lieber. Wie es jetzt ist, haben die Beziehungen zu ihr etwas ungemütlich Schwebendes; er kann nicht fortgehen, ohne die Geschichte vorher zu bereinigen. Er wäre ein Schisser, wenn er sich noch länger vor der Aussprache mit Germaine drückte.
    Sowie er sie also das nächstemal sah, mit Anlauf und möglichstunbefangen, begann er: »Hören Sie, Germaine, kann ich mit Ihnen reden?«
    Madame Chaix, gerade dabei, Staub zu wischen, drehte sich jäh um. Er war errötet, gegen seinen Willen, das Erröten stand seinem viereckigen Schädel mit der bräunlichgoldenen, zartüberflaumten Haut sehr gut. Sie schaute ihn an, unverwandt, sie lächelte, langsam, dreist, und langsam schloß sie einen Knopf ihrer reichlich weit geöffneten Bluse. »Jetzt wollen Sie also doch wieder mit mir reden«, meinte sie und führte die Zunge von einem Mundwinkel zum andern. »Ihr seid ungeschickt, ihr Deutschen«, lächelte sie, »aber beharrlich. Also, was haben Sie mir zu sagen?«
    Hanns fand keinen Anfang, stand vor ihr, jung, frisch, überrötet. Sie hielt den Blick auf ihn, immer lächelnd. Schließlich fragte sie geradezu: »Warum bist du eigentlich damals nicht gekommen, du Dummkopf?«
    »Ich bin ja gekommen«, erwiderte er und setzte ihr voll täppischen Eifers auseinander, warum er damals wieder gegangen sei. Er habe erkannt, er liebe sie nicht so, wie sie es verdiene, und für ein bloßes Amüsement sei sie ihm zu gut.
    Sie hörte zu, spöttischen Gesichtes. Das ist natürlich Unsinn, was er da quasselt, aber nett ist er, wie er so eifrig auf sie einredet, und es ist nicht ausgeschlossen, daß er seinen Stuß wirklich glaubt. Leute, die Geld haben, machen sich manchmal dergleichen vor. Wenn man Geld hat und also keine wirklichen Sorgen, dann kompliziert man sich das Leben durch künstliche. Aber es wäre ein Jammer, wenn es zwischen ihnen beiden nichts würde bloß wegen so blödsinniger Spintisierereien. Sie ist vernünftig, er gefällt ihr, und sie möchte ihn gern zur Liebe überreden. »Wieso bin ich dir zu gut für ein Amüsement?« nimmt sie also seine Worte auf. »Ich bin mir nicht zu gut dafür. Warum soll man sich nicht amüsieren?«
    Er riecht den angenehmen Duft ihrer sehr weißen Haut, er sieht ihr herrlich rotblondes, wuscheliges Haar, er bedauert, daß sie die Bluse zugemacht hat, die Gedanken drohenihm davonzulaufen. »Ich weiß nicht«, sagt er unsicher, vollendet den Satz nicht und schaut sie nur an. »Das seh ich, daß du nicht weißt«, erwidert sie. »Und sag wenigstens nicht immer Sie zu mir.«
    Er hat noch ihr Argument im Ohr: »Warum soll man sich nicht amüsieren?« Es klingt einleuchtend, aber er weiß genau, daß es viel dagegen zu sagen gibt. Man soll es nicht ohne Liebe machen, man darf sich nicht vergeuden wie Antonius, aber diese und ähnliche Gedanken aus dem Café »Chasseur d’Afrique«, das sind Abstrakta, und Germaine ist da, leibhaft, man sieht sie, man riecht sie, sie ist angenehm nahe, bedrohlich nahe.
    »Furchtbar blöd bist du eigentlich«, sagt sie, und: »Wie kann ein so netter Junge so blöd sein.« Und nun kommt sie noch näher, und: »Jetzt hab ich aber genug von deinem Blödsinn«, erklärt sie, und ihre Stimme klingt zornig, doch ihr Gesicht lacht. Und ehe er mit sich im reinen ist, ob sie nun wirklich zornig sei, ist sie schon bei ihm, und hat er angefangen oder sie?, er spürt ihre Lippen, ihre Zunge, und sie küssen sich, daß ihm Hören und Sehen vergeht, und jetzt sind sie also auf demselben Fleck wie damals, und seine Flucht aus dem »Chasseur d’Afrique« ist umsonst gewesen.
    Stark atmend steht er, nachdem sie von ihm abgelassen hat. Sie schaut auf ihn mit ihrem verfluchten, spöttischen Lächeln. »Ich will dir sagen, warum du damals davongelaufen bist«, sagt sie autoritativ. »Du bist ein eingebildeter Bengel und kommst dir zu gut für mich vor. Wenn du ein Arbeiter wärst, ein Chauffeur, einer von uns, dann wäre alles ganz einfach, dann hättest du damals gut und gerne gewartet.«
    »Du tust mir unrecht, Germaine«, erwidert er und ist ehrlich gekränkt. Denn genau umgekehrt ist es richtig: er hat sich

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