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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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Angebot der »Nachrichten«, von seiner Lust und seinen Bedenken. Er sprach sich frei, ja, er konnte über diese Dinge mit Tschernigg noch freier reden als mit Anna, und mit letzter Offenheit sprach er mit diesem seinemFreund über die Vernunft, die ihn abhielt, und das Gefühl, das ihn antrieb, das Angebot der »P. N.« anzunehmen.
    Tschernigg ließ ihn reden, ohne ihn zu unterbrechen. Die Stunden, in denen er mit Sepp ein richtiges Gespräch führen konnte, waren seine besten Stunden, und er sah voraus, daß, wenn Sepp in die Redaktion der »P. N.« eintrat, diese spärlichen Stunden noch spärlicher werden mußten. Sein fahles Gesicht wurde einen Schatten fahler. Allein er war Stoiker, er war Zyniker, »Vorüber gehn die Schmerzen und die Wonnen, / Geh an der Welt vorüber, es ist nichts«, und er versteckte die Erregung, in welche Trautweins Eröffnung ihn versetzte. »Ich würde es natürlich gerne sehen, Professor«, sagte er mit dem gewohnten zynischen Egoismus, »wenn Sie mehr verdienten; denn ich nehme an, daß dann auch für mich mehr abfiele. Aber vor einer Illusion hüten Sie sich gefälligst. Bilden Sie sich nicht ein, daß irgendeine Macht der Welt Ihrem Friedrich Benjamin wird helfen können. Der Mann hat sich in einen Kampf eingelassen gegen die Gewalt und die Dummheit, er hat sich fangen lassen, also ist er verloren. Die Gewalt und die Dummheit haben recht, wenn sie ihn nicht loslassen; denn wenn sie ihn losließen, dann wären sie ja nicht die Gewalt und die Dummheit, und er hätte unrecht. Man wird zahllose papierene Proteste in die Welt hinausschreien, und die andern werden sich damit den Hintern wischen. Diejenigen aber, welche die Proteste schreiben, sind die Naiven, Weltfremden, sie verdienen nicht, daß man auf sie hört. ›Übers Niederträchtige / Niemand sich beklage, / Denn es ist das Mächtige, / Was man dir auch sage.‹ Und was wollen gar Sie da helfen, Professor? Glauben Sie, Herr Hitler wird Herrn Benjamin freilassen, weil Herr Trautwein einen guten Artikel schreibt? Das wäre gelacht. Sie täten besser, wenn Sie Ihre Finger von der Sache ließen. Halten Sie sich endlich an Ihre ernsthafte Arbeit, an Ihre Musik, Sie haben Dummheiten genug getrieben und Jahre genug vertrödelt.«
    Dieses letzte sollte beiläufig herauskommen, aber es kam nicht so heraus, vielmehr klang es in der Ödnis des grellen Cafés Zur guten Hoffnung wie ein Aufschrei. Trautwein sahseinen Freund an, und er sah, daß er ebenso von sich selber sprach wie von ihm. Es barg sich offenbar hinter der Kulisse der nihilistischen Weisheit die Sehnsucht, Ruhe zu finden, nach soviel Gehetztheit und Exil ein Zipfelchen Geborgenheit, festes Land, Heimat, einen Ort, wo man hingehört.
    Aber mehr noch als diese Erkenntnis bewegte es Sepp, daß ihm Tschernigg die gleichen Argumente vorhielt wie Anna. Es rührte ihn auf, daß zwei so grundverschiedene Menschen vor seinem Problem das gleiche dachten und spürten.
    Sie brachen auf. Schweigsam gingen sie wieder dem Asyl zu. Vor der Tür der Baracke griff Trautwein in die Tasche, um Tschernigg Geld zu geben. Am liebsten gäbe er ihm alles, was er in der Tasche hat. Aber das geht nicht. Den weitaus größten Teil seines Verdienstes liefert er Anna ab, für den Haushalt, er weiß, es ist ein kleines Wunder, daß sie damit auskommt; mit dem Taschengeld, das er sich für Fahrten, gelegentliche Mahlzeiten im Restaurant und dergleichen zurückbehält, muß er vorsichtig umgehen. So unangenehm ihm also die Geste ist, er muß zählen, was er noch hat. Es ergaben sich zweiundsiebzig Franken. Zweiundvierzig davon, nach einigem Zögern, gibt er Tschernigg. Es ist leichtsinnig, die zweiundvierzig werden ihm fehlen, aber er kann den Freund nicht so blank in die Baracke hineingehen lassen. Auch so schmerzt ihn beinahe körperlich die Geringfügigkeit der Gabe.
    Tschernigg nimmt das Geld, schamlos zählt er nach. »Zweiundvierzig«, konstatiert er sachlich, und, fatal grinsend: »Der Fink hat wieder Samen«, freut er sich und läutet dem Pförtner.
    Trautwein indes ging nach Haus, einen großen Teil des Wegs zu Fuß. Tscherniggs und Annas Worte ließen ihn nicht los. Er stellte sich alles Lockende vor, was er aufgeben, alles Widerwärtige, was er auf sich nehmen sollte. Er dachte an »Die Perser«, er dachte an die kleinliche, lästige, zeitraubende Handwerkerarbeit, die mit der Redaktionstätigkeit an den »P. N.« verbunden und obendrein höchstwahrscheinlich fürs schiere Nichts verschwendet

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