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Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3]

Titel: Exil - Wartesaal-Trilogie ; [3] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Aufbau
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vor ihm die Place de la Concorde. Weit und herrlich lag sie im hellen Schein der Kandelaber und Bogenlampen, ungeheuer leer, majestätisch und dennoch liebenswert. Steil stand der Obelisk, groß und zierlich zugleich, die Springbrunnen plätscherten, Trautwein war glücklich. Das alles war nur für ihn da. Die acht steinernen Damen lagerten weißlich rund herum, ein bißchen steif und doch einladend. »Guten Abend, meine Damen«, sagte Sepp Trautwein, »und woran erkennt man eigentlich, wer von Ihnen Marseille undwer Straßburg ist?« Er sagte das aber zu der Dame, welche die Stadt Lyon darstellte. Dreiundzwanzig Meter hoch, dachte er, er meinte den Obelisk. Drüben blinkte der Eiffelturm wie ein Augenlid, das auf und ab klappt. Trautwein, erst mechanisch, dann bewußt, tat es ihm nach. Concorde, dachte er, Eintracht. Concordia soll ihr Name sein. Harmonie, dachte er, und: Es ist schön zu leben.
    Leicht trunken, wie er war, störte es ihn sehr, daß der Tuileriengarten geschlossen war. Man hätte über das Gitter klettern können. Es ist ärgerlich, daß man Emigrant ist. Wenn man als Emigrant über das Gitter klettert, hat es gleich Folgen. Er dachte an jenen Mann, der eine schwache Blase hatte und kurzsichtig war und der, in dem Schilderhäuschen vor dem Elysée, es für eine Bedürfnisanstalt haltend, genotdürftelt hatte; daraufhin wäre er um ein Haar ausgewiesen worden. So ist das nun einmal im Exil. Sie erlauben einem nicht, daß man in den Tuileriengarten klettert. Sie begreifen nicht, die Hammel, die damischen, daß man keineswegs gegen die Republik ist. Aber das Leben ist doch schön, die schönen Tage von Aranjuez sind noch lange nicht vorbei, und die Place de la Concorde gehört jetzt ihm.
    Er stand in schwerem Sinnen. Wie soll er seinen Weg fortsetzen, am rechten oder am linken Seine-Ufer? Er entschied sich für das rechte. Entschlossen, die Füße einwärts gestellt, trottete er weiter am Louvre entlang. Plötzlich war er nicht mehr in Paris. Zwar spürte er gut, daß es ganz andere Luft war, und doch atmete er wieder die Luft seiner Stadt München. Die Trautweins waren eine uralte bayrische Familie, sie gehörten zu der Stadt in der Hochebene, sie waren ein Teil von ihr, es war ganz unausdenkbar, daß er, Sepp Trautwein, seine Tage fern von ihr sollte beschließen müssen. Er wußte mit hundertprozentiger Gewißheit, daß er einmal wieder in München sein, daß er wieder in München Musik machen, daß er in den vertrauten Sälen der Musikalischen Akademie, daß er im Odeon dirigieren wird und Schüler anschreien oder sie gutmütig verhöhnen. »Der Tag wird kommen«, krähte ervergnügt vor sich hin. Ja, er wußte es, es war absolut gewiß, daß er an den Kais der Isar entlanggehen wird, die Frauentürme sehen, Weißwürste essen und Märzenbier trinken. Er schnalzte mit der Zunge. Er freute sich schon darauf, wie er Richard Strauss auf die Schulter klopfen wird und ihm sagen: »Na, Herr Nachbar. Sie hätten auch gescheiter sein können.« Und er sah sich in der Oper, in dem großen Haus mit dem dummen Vorhang mit den vielen L, und er sah sich in dem zierlichen, kleinen Residenztheater, und hernach ging er auf die Bühne, und er hörte den Bühnenportier grüßen und ihn kameradschaftlich sagen: »Na, Herr Professor, den Saustall hätten wir glücklich hinter uns.«
    Ungeheuer deutlich sah er das, leibhaft spürte er, roch er den Geruch, den fast hundertjährigen, des alten Bühnenhauses, des alten Konzerthauses. Und plötzlich blieb er stehen, mitten in der Stadt Paris, und lachte. Lange lachte er, schallend. Und da kamen diese Trottel, diese gußeisernen Rindviecher, und bildeten sich ein, sie könnten ihm seine Stadt München nehmen, diese Zugereisten. Und da schrieben sie Noten an die kleine Schweiz, Noten, von denen man nicht wußte, was sie mehr waren, hirnverbrannt oder ausgeschamt. Und da waren andere und unterstanden sich, zu zweifeln, daß er den gewissen Benjamin herauspauken wird. Herauspauken? Mitnehmen nach München wird er ihn, den Schisser. Viel Staat war nicht mit ihm zu machen, beim Einzug durchs Siegestor läßt man ihn besser beiseit, aber immerhin, einige Angst muß er jetzt ausstehen, der arme Tropf, und zur Entschädigung wird er, Sepp Trautwein, ihn mit nach München nehmen.
    Hm. Es geht ihm auffallend gut. Wahrscheinlich hat er ein bißchen zuviel getrunken. Dann war es doppelt löblich, daß er der Versuchung widerstanden hat und nicht mit dem Mädchen hinaufgegangen ist. Er

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