Existenz
All und zeigt all die Tollkühnheit seines Vaters, ohne sein protziges Verantwortungsbewusstsein …
Und jetzt dies. Meine Peers schieben mich ab. Damit ich nicht an Entscheidungen mitwirken kann, die vielleicht die Geschicke unserer Zivilisation für die nächsten Generationen bestimmen. Weil sie – nicht ohne Grund – glauben, dass ich etwas gegen eben diese Entscheidungen haben könnte .
Soll ich ausscheiden und mich einer der anderen Koalitionen von Gutmensch-Reichen anschließen?
Es gab viele davon, manche von ihnen geeigneter für die Wissenschaft liebende Philanthropen. Tech-Zillionäre und Unternehmer der ersten Ge neration sprühten vor Aufregung wegen des Havanna-Artefakts. Lacey wuss te, dass einige von ihnen ebenfalls erhebliche Summen in das Fernsucher-Teleskop investiert hatten. Nicht alle Superreichen waren superreaktionär. Nicht einmal die Mehrheit von ihnen.
Aber jene anderen Reichen neigten dazu, als Individuen oder in kleinen Gruppen zu agieren, persönlichen Interessen nachzugehen. Eben die Vorliebe für Einzigartigkeit, die sie reich gemacht hatte, stand echter Zusammenarbeit im Wege. Das galt auch für die vorsichtige, zurückhaltende Kooperation der Gruppe, die sich »Naderiten« nannte.
Niemand von ihnen, weder einzeln noch zusammen, kam an den Einfluss, die Macht und die machiavellistische Erbarmungslosigkeit der Klade heran.
Wenn ich mich zurückziehe, geselle ich mich den Milliarden hinzu. Den Leuten, denen die Geschichte geschieht, anstatt sie wie eine Mahlzeit zu bestellen.
»Wirklich, Madam, es sollte überall Anzeichen von intelligentem Leben geben«, sagte der Show-Wissenschaftler mit einem deutlich ausgeprägten jamaikanischen Akzent.
»Außerirdische, die ja sooo intelligent sind … Sie müssten uns um Äonen voraus sein und wie Korn überall in der ach so hell strahlenden Galaxis sprießen, noch vor der Geburt unserer Sonne. Der ganze Kosmos müsste voller Kultur und gescheiter Gespräche sein.
Deshalb ist es sehr rätselhaft, dass der Weltraum schon damals, als wir mit der Suche begannen, so leer erschien. Bisher kennen wir nur eine intelligente Lebensform – uns selbst!«
Profnoo gestikulierte mit beiden Händen und wackelte so sehr mit dem übergroßen Kopf, dass die extrem langen Ohrläppchen über seine dicken Halskrausen strichen. Er strich sie zurück zu den zuckenden, aus vielen einzelnen Strängen bestehenden cyberaktiven Dreadlocks, die als Antennen und Receiver fungierten und sein öffentliches Markenzeichen darstellten – obwohl er nur einer von einem Dutzend Supertainern war, die von der gleichen kleinen Insel stammten.
»Ich weiß«, erwiderte Lacey und seufzte. Sie brauchte keinen effekthascherischen Künstler-Astronomen, um zum tausendsten Mal an die kummervolle Logik des Fermi-Paradoxons erinnert zu werden. Doch Professor Noozone machte genau das, vielleicht in der Absicht, seine Gönnerin zu beeindrucken. Oder er probte ihr gegenüber für einen seiner wöchentlichen Auftritte vor großem Publikum.
»Sehen Sie hier.« Der Professor deutete auf ein Holobild, das eine Art primordiales Meer zeigte, mit über den Himmel huschenden Meteoren. »Vorläufer des Lebens entstehen praktisch überall, wo es Energie und einige Dutzend elementare Elemente gibt, die in Flüssigkeit gelöst sind. Nicht nur Wasser, sondern irgendeine Art von Flüssigkeit! Und nicht nur auf Planeten mit Meeren an der Oberfläche ! Sondern zehnmal so viele kleine Welten mit Ozeanen unter dicken Eiskrusten, wie Europa, Enceladus, Miranda, Tethys, Titan, Oberon …«
Lacey wollte ihn unterbrechen, ihn dazu bringen, zum eigentlichen Thema zurückzukehren, zum Artefakt. Aber sie wusste, dass ihn zu deutlich gezeigte Missbilligung sehr mitgenommen hätte. Um wirkungsvoll eingesetzt zu werden, musste die Macht Handschuhe tragen – Lacey hatte vergeblich versucht, ihren leicht aufbrausenden Sohn diese wichtige Lektion zu lehren.
Und außerdem, das Problem mit Professor Noozone war allein ihre Schuld.
Das kommt davon, wenn man einen Berater mit dem Gehirn eines Thorne oder Koonin wählt, aber auch mit dem unsicheren Ego eines Bollywood-Stars und dem künstlichen Akzent eines Rasta-Typen.
Implantate zeichneten sich unter Profnoos Stirnhaut ab, über dunklen, glitzernden Augen. Der durchaus beabsichtigte Effekt bestand darin, dass der Schädel dadurch unnatürlich breit wirkte. Wie ein aufgequollenes Soufflé.
Wenigstens trägt er den Akzent nicht zu dick auf, wenn er mit mir allein
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