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Existenz

Existenz

Titel: Existenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Brin
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wir all das erforschen müssen«, lauteten seine Worte. »Gib mir nur etwas Zeit, mich an die Idee zu gewöhnen.«
    Wie konnte Tor eine solche Bitte zurückweisen, die mit Vernunft und ohne eine Spur von Sarkasmus vorgetragen wurde? Und so schob sie den eigenen brennenden Wunsch beiseite – am liebsten hätte sie alles stehen und liegen lassen und wäre in die alten Tunnel zurückgekehrt, um dort bei den zerstörten Luftschleusen nach einem Geheimnis zu graben, das seit mindestens fünfzig Millionen Jahren verborgen lag.
    Wir könnten die berühmtesten Grabräuber seit Heinrich Schliemann oder Howard Carter werden. Dafür, fand Tor, lohnte sich ein wenig Geduld.
    Einigen der Drohnen fiel es allem Anschein nach schwer, die Trümmer eines Lastkrans zu beseitigen. Tor flog näher und vertraute Affeninstinkten, als sie mit ihren prothetischen Armen von einem Träger zum nächsten hangelte, bis sie schließlich einen guten Aussichtspunkt erreichte. Die schwache Gravitation des Asteroiden zog ihre mechanischen Beine sanft nach unten und zur Seite. Mit einem Greifer, der ihr bessere Dienste leistete als ein gewöhnlicher Fuß, hielt sie sich an dem Kran fest.
    »Drohne K, flieg zwölf Meter nach links und richte deine Lampe nach unten-vierzig ost-sechzig. Drohne R, flieg fünfzig Meter dorthin …« Tor zeigte in die entsprechende Richtung. »… und leuchte nach unten-fünfundvierzig west-dreißig.«
    Es dauerte einige Minuten – mit Radar, Lidar und stereoskopischer Bilderfassung –, das Problem zu erkennen, mit dem die Drohnen zu kämpfen hatten: ein Durcheinander aus Trümmern, das Schätze verbarg, offenbar nicht nur Baby-Sonden, sondern auch eine Kontrolleinheit, die vielleicht für ihren Bau verantwortlich gewesen war! Das konnte eine echte Trophäe sein, begraben unter einem Knäuel aus Kabeln und Schutt.
    In diesem Fall war ein organisches Gehirn, das sich in primordialem Dickicht entwickelt hatte, besonders nützlich. Mit den Tricks paralleler Bildverarbeitung, die bis ins Eozän zurückreichten, erkannte Tor den Weg des geringsten Widerstands schneller, als es der Mainframe der Warren Kimbel vermocht hätte.
    »Nehmt diese Route …« Sie gab die Daten an die Drohnen weiter. »Beginnt hier zu schneiden … und hier und hier …«
    Plötzliche Helligkeit erschien in dem Hohlraum – von einem Augenblick zum anderen warf jede Metallstrebe einen scharfen Schatten. Schmerz blitzte, und Tor zuckte zusammen, als ihr Visier zu spät dunkel wurde. Organische Augen wären vielleicht geblendet gewesen; selbst ihren Cyborg-Implantaten fiel es schwer zu kompensieren.
    Am Rand ihres Blickfelds erschienen Daten, die ihr einen kalten Schauer über den Rücken jagten. Kohärente monochromatische Reflexionen. Ein hochenergetischer Laser.
    Ein Laser? Wer zum Teufel schießt hier?
    Tor unterdrückte ihre Furcht und dachte an die Fehlfunktion einer Schneidedrohne. Sie wollte gerade eine allgemeine Deaktivierungsanweisung erteilen, als plötzlich der Kriegsalarm ertönte.
    Also eine Waffe , kommentierte eine ruhige Stimme in ihrem Bewusstsein.
    Das grelle Licht verschwand so plötzlich, wie es gekommen war, und hinterließ pechschwarze Finsternis. Nur am Rand des Kraters zeigte sich ein mattes Glühen, das von der fernen Sonne stammte.
    »Gavin!«, rief Tor. »Achte auf …«
    Eine scharfe Stimme unterbrach sie.
    »Ich werde angegriffen , Tor!«
    Tor schluckte mit trockenem Mund.
    »Gavin … gib mir Einzelheiten!«
    Ihr Herz gehörte zur Standardausrüstung. Menschlich-organisch 1. 0, und es schlug jetzt rasend schnell. Es legte sogar noch einen Zahn zu, als ihr Partner antwortete:
    »Ich … stecke in einer Felsspalte, einem Einschnitt. Was von mir übrig ist. Sie haben mir den Arm abgeschnitten, Tor!«
    Sie? Tor hätte es am liebsten geschrien. Wer oder was sind »sie«?
    Anstatt vor Panik zu kreischen, gelang es Tor irgendwie, wie eine Kommandantin zu klingen.
    »Sind deine Siegel intakt? Dein Kern …« Sie kauerte dort, wo zuvor ein Schatten gewesen war, und hoffte, dass sich der Träger noch zwischen ihrem Körper und dem Schützen befand.
    »Meinem Kern geht es gut, aber er ist sauer ! Und der Arm ist weggeflogen. Selbst wenn ich es aus dieser Felsspalte heraus schaffe … Ich finde ihn bestimmt nicht wieder. Und es wird Wochen dauern, einen neuen wachsen zu lassen …«
    »Schon gut!«, unterbrach Tor Gavins Wortschwall. Er musste sich auf das Wesentliche konzentrieren. »Hast du eine Richtung? Können deine Drohnen den

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