Exit Mosel
In der Einfahrt zum Gelände des Regattavereins steckte ein zu schräg rangierter Anhänger zwischen dem Durchlass in der hohen Mauer fest. Als der Pkw wieder nach vorn setzte, nutzten Walde und Grabbe die Lücke. Im Hof begegneten ihnen zwei schwebende Kanus mit Kiel nach oben. Erst auf den zweiten Blick erkannte Walde die schwarzen Neoprenanzüge unter den Booten. Eine Figur wirkte gedrungen, die andere schlank. Oberkörper und Kopf waren nicht zu sehen.
»Das ist aber nett, dass Sie uns helfen kommen!« Holbach hockte neben einem Gasheizpilz. Er hatte seinen Arm in die tonnenförmige Hülle gesteckt und hantierte an etwas im Innern des Gerätes.
Nebenan waren Bierzeltgarnituren aufgebaut. Darüber wurden Lichterketten gespannt. Von oben prasselte es. Holbach kam wieder hoch und betätigte einen Schalter unter dem silbrigen Schirm. Das Gas flackerte auf, um dann unter leisem Zischen weiterzubrennen.
»Meinen Sie, das geht so?« Holbach hielt eine Hand prüfend in Ohrhöhe.
»Kommt drauf an, wie nah man mit dem Kopf an der Flamme ist.« Grabbe sah zu Walde, der ihn und Holbach um Haupteslänge überragte.
Eine Frau stellte drei Becher auf den Tisch. »Das sind die Ersten zum Kosten.«
»Darf ich vorstellen: Herr Bock, Herr Grabbe, das ist meine Frau Lydia.« Holbach nahm einen Becher. »Greifen Sie zu, meine Herren, absolut dienst- und führerscheinkompatibel. Nur ganz wenig Alkohol drin. Meine Frau nimmt nur guten Wein von der Mosel, dazu Johannisbeersaft, frisch gepresste Blutorangen, Zimt und noch ein paar Kräuter.«
Walde nippte an dem heißen Getränk. »Gut.« Es schmeckte wirklich gut, wobei er nicht abschätzen konnte, wie hoch der Alkoholanteil war.
»Wärmt, macht satt und ist gesund.«
»Prima«, lobte Grabbe.
Lydia Holbach lächelte. An Körperfülle stand sie ihrem Mann in nichts nach.
»Darf ich fragen, was Sie beruflich machen?«, fragte Grabbe.
»Ich arbeite im Krankenhaus«, antwortete sie.
Waldes Kollege wurde hellhörig. »Hier in Trier?«
»Ja, ich putze im Ehranger Krankenhaus.«
Aus dem Anhänger, der nach weiteren Rangierversuchen seine Position nebenan zwischen den Buden gefunden hatte, wurden Gerätschaften geladen.
»Das Glaukosschwimmen veranstalten wir zum ersten Mal.« Holbach hatte seinen Becher bereits ausgetrunken.
»Glaukos?«, fragte Grabbe.
»Das war ein Meeresgott der Griechen, Sohn des Sisyphos.«
»Den kenne ich.«
»Manche wollten es Christophorusschwimmen nennen. Haben Sie die Leserbriefe gelesen?« Holbach bekam einen weiteren Becher von seiner Frau serviert.
Walde verneinte.
»Für uns ist Glaukos der Schutzpatron der Taucher«, sagte Holbach. »Früher gab es das Dreikönigsschwimmen. Aber um Neujahr herum hatten wir oft Probleme mit Hochwasser; und in den Jahren, in denen das Schwimmen stattfinden konnte, war die Publikumsresonanz recht mau, weil die Leute noch ihren Kater von Silvester pflegten oder lieber das Neujahrsspringen im Fernsehen guckten.« Holbach nahm einen tiefen Schluck. »Und nun machen wir das Ganze am Abend mit Fackeln und so, das bringt auch ein gutes Presseecho.«
»Und die Ehrung des Lebensretters«, ergänzte Grabbe. »Wann kommt dieser Jacco Hoek?«
»Er müsste heute Abend in der Jugendherberge eintreffen.«
»In der Jugendherberge?«
»Da hat er auf seinen Bustouren nach Trier schon oft gewohnt. Das ist ja hier gleich nebenan, und die Zimmer sind auch in Ordnung.«
»He, Konrad, bist du hier nur zur Glühweinprobe angetreten?« Ein weißhaariger drahtiger Mann, der ein Freund der Sonnenbank zu sein schien, war neben ihrem Tisch stehen geblieben.
»Das sind die Herren von der Polizei«, stellte Holbach vor.
»Sie waren bei der Rettung von Edith Hippens dabei?«, fragte Walde den Mann.
»Sie war schon an Land, als wir dazukamen, der Heinz und ich haben nur kurz eine Erstversorgung gemacht, stabile Seitenlage und so, aber der Rettungswagen kam ja schnell.«
»Ist der Heinz auch hier?«, fragte Walde.
»Der hat die Grippe.«
»Und wer hat Frau Hippens aus dem Wasser geholt?«
»Der Holländer, der Jack Hoek.«
»Jacco«, korrigierte Holbach.
»Und war sonst noch jemand beteiligt?«
»Einer hat die Frau getragen.«
»War das dieser Mann?« Grabbe legte ein Foto von Gerhard Roth auf den Tisch.
»Das kann ich nicht so genau sagen, könnte sein.«
Als Grabbes Mobiltelefon klingelte, entfernte er sich vom Tisch.
Walde wandte sich an Holbach: »Wissen Sie inzwischen, wie Sie an den Namen von Gerhard Roth gekommen
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