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Exit Mosel

Exit Mosel

Titel: Exit Mosel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mischa Martini
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und Klagenfurt …« Sie zündete sich eine neue Zigarette an. Wo blieb Stadler bloß? »Dammfurt, und, nicht zu vergessen, Schweinfurt!«
    »Dammfurt?«
    Ein großer Schwarm dunkler Vögel kreischte über sie hinweg, wendete vor der Brücke und schwebte hinab auf die ausladenden Bäume der Insel.
    »Eine Krähenkolonie, in Spitzenzeiten mit mehreren Tausend Exemplaren. Die brüten auch hier.«
    Jetzt fielen Gabi trotz der Dunkelheit die großen Nester in den Bäumen auf. Es waren Dutzende, vielleicht sogar mehr als hundert. »Wo bekommen die denn ihr Futter her?« Kaum war ihr die Frage herausgerutscht, holte der Mann tief Luft.
    »Die Tiere bleiben über Winter, die brauchen nicht in den Süden, hier gibt es genügend Nahrung. Zurzeit hängt noch reichlich Obst an den Bäumen, Beeren gibt es auch, und in den Weinbergen sind längst nicht alle Trauben abgeerntet, außerdem finden sie auf der Müllkippe den ganzen Winter über etwas.«
    »Da vorne kommt es!« Gabi zeigte auf das stromaufwärts in Sicht kommende Polizeiboot. Dies hielt ihren Begleiter aber nicht davon ab, seine Ausführungen fortzusetzen. »Und aus eigener Beobachtung weiß ich, dass die Papierkörbe auf den Schulhöfen mit all den weggeworfenen Pausenbroten ein wahres Schlaraffenland für diese Vögel darstellen. Die sind so clever, dass sie in Zweifelsfällen andere Vogelarten vorprobieren lassen, bevor sie ihnen dann die Beute abjagen.«
    »Und was haben Sie damit zu tun?«, fragte sie.
    »Eigentlich eine ganz einfache Sache. Ich zähle Vögel, und zur Vermeidung von großen Beobachtungsdistanzen wate ich ab und zu rüber auf die Insel. Trotz der unwirtlichen Nachbarschaft mit der vielbefahrenen Moselbrücke lebt hier die vermutlich größte rheinland-pfälzische Population der Gattung Corvus, also der Rabenvögel.« Er schaute Gabi an, als erwarte er wieder eine blöde Bemerkung.
    Das Polizeiboot richtete den Scheinwerfer auf den Altarm des Flusses, bevor es Kurs auf die Landungsstege hielt, von denen nur einer von einem kleinen Ausflugsboot besetzt war.
    Gabi und Stadler mussten dem Hobbyornithologen in der steifen Anglerhose beim Übersetzen vom Landesteg auf das Polizeiboot behilflich sein, das gleich wieder ablegte und rückwärts in die Schifffahrtslinie manövrierte.
    Im warmen Steuerhaus wurde Gabi bewusst, wie kalt es draußen war. Eine Hand über das Gebläse auf dem Armaturenbrett haltend, nahm sie mit der anderen eine Tasse Kaffee entgegen, die ihr die Kollegin reichte.
    Stadler ließ sich von dem Mann über den genauen Fundort instruieren, während das Boot so lange im Wasser dümpelte, bis sie ein flussabwärts fahrender Schubverband passiert hatte.
    Nun ging es mit voller Maschinenkraft unter der Kaiser-Wilhelm-Brücke hindurch moselaufwärts. Als Gabi zu dem Hobbyvogelkundler schaute, war es zu spät. Das Album lag aufgeschlagen vor ihm. Hatte er Aufnahmen von Schiffskollisionen oder gar welche von Fischen und Wasservögeln erwartet? Sie sah, wie er stockte, zu verstehen suchte, was er da sah, wie er sich tiefer hinunterbeugte, mehrere Seiten weiterblätterte, bis ihm bewusst wurde, dass nichts anderes in der Sammlung zu finden war als die Fotos von Wasserleichen.
    Als er aufblickte, wandte Gabi ihr Gesicht wieder in Fahrtrichtung. Selbst schuld, dachte sie, man kann ja fragen, bevor man seine Nase in fremde Familienalben steckt.
    Der Steuermann manövrierte das Boot mit gedrosselter Fahrt um die Spitze der Insel.
    »Es müsste in dem Busch da gewesen sein.« Der Mann schien sich soweit wieder gefasst zu haben und deutete auf ein Gestrüpp, dessen Äste mit welken Blättern und allerlei Treibgut in den Fluss ragten.
    Stadler schaute durch das Fernglas. Dann ging er nach draußen. Als das Boot dicht genug am Ufer war, stocherte er mit einer Teleskopstange zwischen den Ästen herum.
    »Ihr könnt die Feuerwehr rufen«, sagte er, als er wieder hereinkam. »Sollte es die Frau von der Römerbrücke sein, ist sie wahrscheinlich gleich hier angetrieben worden. Bei der Suchaktion konnten wir sie vom Fluss aus nicht sehen, weil sie zum größten Teil unter Wasser liegt und, soweit ich das erkennen kann, einen grünen Pullover und eine khakifarbene Hose trägt.«
    Gabi seufzte: »Die muss ich mir leider genauer ansehen.«
    *
    Auf dem Weg entlang des Ufergebüschs wähnte sich Walde an einem finsteren Dezembertag. Der wolkenverhangene Himmel verstärkte die früh einsetzende Dämmerung, die sich wie ein dunkler Flor über das Moseltal senkte.

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