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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Ancien die umwickelten Füße im kaiserlichen China oder die Hexenprozesse, die Kreuzzüge, die Inquisition? Man setzt etwas in Bewegung. Es kommt in Schwung. Es existiert.
    Schwung. Für mich war es, Jahr für Jahr, eine Manie.
    Versammlungen und Entwürfe und Zeichnungen und Diskussionen, Inspektionen der Gebäude, Auswählen der Stoffe, Farben, Formen der Schwimmbäder. Anstellung der Ärzte, Krankenschwestern, Ausbildung der besten Sklaven zu Herrschern für die »Behandlung« der masochistischen Mitglieder, die nicht einmal ihre eigenen Gelüste kannten. Ausführen, Korrigieren, Ausweiten. Erst zwei Gebäude, dann drei, dann die Gesamtanlage. Motive, Ideen, Gebühren, Verträge, Abmachungen.
    Und immer die wohltuende Genugtuung, die eigenen Phantasien, die geheimen Träume berauschende Wirklichkeit werden zu lassen. Nur, daß sie inzwischen fast unkalkulierbare Ausmaße angenommen hatte.
    Ich konnte mir bessere Sachen ausdenken, als die, die meine Gebieter mit mir gemacht hatten. Ausgefeiltere Sachen. Die Quelle ist einfach unerschöpflich. Das ganze Leben besteht aus Variationen bestimmter Themen. Jetzt sah ich andere, die darin aufgingen, staunend und verwundert, die Beiträge und Variationen einbrachten. Die Flamme brennt immer heller und heller.
    Aber meine Leidenschaft?
    Leidenschaft? Was ist das?
    Mit Gewißheit würde es keine Gebieter mehr geben. Zu einem gewissen Zeitpunkt war diese Art von Intimität vollständig verwirkt, und manchmal weiß ich nicht, warum. Lag es daran, daß ich tatsächlich lieber die Herrin war, weil es sich nicht allein um die Erregung handelte, sondern um das Gefühl, ganz genau zu wissen, was meine Sklaven, meine Liebhaber, wirklich empfanden? Ich glaube, ich hatte sie wirklich in der Hand. Mein Wissen und mein Verständnis durchdrangen sie. Sie gehörten mir durch und durch.
    Was Liebe angeht, nun, das hatte ich nie erlebt, oder? Nicht im konventionellen Sinn. Aber was ist Liebe, wenn nicht das, was ich für jeden von ihnen in jenen Momenten fühle?
    In dem schummrigen Alkoven meines Himmelbetts hatte ich die allerbesten der männlichen Sklaven gehabt, einfach unglaubliche Körper.
    Zwischen Wollen und Haben verstreichen im Club genau dreißig Sekunden.
    Sie in die Unterwerfung peitschen, ihnen zu vögeln befehlen. Staunen über ihre Hitze, ihre Stärke, ihre Kraft, die ich befehlige, diesen außergewöhnlichen männlichen Körper, der mir gehört.
    Dann das Notieren ihrer Reaktionen in der Computerdatei. Lernen, wie man sie jedesmal besser manipuliert.
    Und die Sklavinnen mit ihren seidigen Fingerspitzen und leckenden Zungen. Leslie, Cocoa, die liebreizende und zur Zeit vernachlässigte Diana, mein Liebling, die mit mir in der Dun-kelheit kuschelt, einer weltumspannenden Dunkelheit, weich an weich.
    Mitternacht in Eden. Ist es denn Eden? Irgendwo schlägt eine altmodische Uhr.
    Zwölf Stunden bis Elliott Slater. Und was ist an diesem blonden, blauäugigen Mann so Besonderes? Wird er nicht sein wie alle anderen?

ELLIOTT
Weiße Baumwolle
     
    Die Korridore bildeten ein Labyrinth. Unzusammenhängende Teile des Clubs zogen an mir vorbei, ohne einen wirklichen Eindruck zu hinterlassen. Ich wußte nur, daß sie sich am Ende des Seils befand, das mich hier durchzerrte. Sie hatte mich aus der Tiefe befreit, und man brachte mich zu ihr.
    Ich war aus einem sehnsüchtigen Traum von ihr aufgewacht. Es war überflüssig zu behaupten, es sei irgend etwas anderes gewesen. Während des ganzen Morgens hatte ich ihr Gesicht aufblitzen gesehen, Fragmente des Traumes, und ich hatte die Spitzen ihrer Seidenbluse an meiner Brust, die fast elektrische Berührung ihres Mundes gefühlt.
    Wer, zum Teufel, war sie wirklich? Wie war sie?
    Dann war etwas Ungewöhnliches geschehen. Wir hatten bei Tagesanbruch auf Händen und Knien zu putzen angefangen, aber die Aufseher waren sanft mit mir umgegangen. Keine spöttischen Beleidigungen, kein Riemen.
    Sie mußte die Anordnung gegeben haben, aber was hatte es zu bedeuten? Es war nur zu leicht, beim Schrubben darüber nachzudenken. Zu leicht, an sie zu denken.
    Als wir unser Mittagessen in dem kahlen, kleinen Speisezimmer bekamen - natürlich auf Händen und Knien -, war mir aufgefallen, daß sich hier nichts so abspielte, wie ich es erwartet hatte.
    Unabhängig von dem, was Martin mir gesagt hatte, hatte ich ausgedehnte Phasen der Langeweile vorhergesehen, eine unver- meidliche Untätigkeit, die das Ganze verwässern würde.
    Nun, es gab keine Langeweile.

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