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Exit to Eden

Exit to Eden

Titel: Exit to Eden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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zurückgeworfen, den Hut schief auf dem Kopf, mit offenem Hemdkragen, aber sie zitterte so heftig, daß sie den Kugelschreiber kaum halten konnte.
    Sie schrieb Lisa Kelly so krakelig wie eine alte Dame, und als ich mich mit ihr stritt, wessen American-Express-Karte wir benutzen würden, war sie völlig durcheinander und schwieg, als wisse sie nicht weiter. Ich siegte, und man nahm meine American-Express-Karte.
    Der Ort, den sie ausgewählt hatte, war perfekt. Ein renoviertes spanisches Stadthaus, etwa zwei Blocks vom Jackson Square entfernt, und wir hatten das Dienstbotengebäude dahinter. Die violetten Steinplatten waren holprig, wie sie es in diesen alten Höfen in New Orleans immer sind, und der Garten war ein Dickicht aus riesigen, saftigen, glänzenden grünen Bananenstauden, rosa Oleander und Jasmin, der über Ziegelmauern rankte, und hier und da ein paar Lampen wie Laternen.
    Die Brunnennymphe war von grünem Moos überzogen und das Wasser von Iris überwuchert. Das Dröhnen einer Jukebox drang von irgendwoher aus dem Häuserblock: »Beat it« von Michael Jackson. Es brachte das wirkliche Leben, das ich in Kalifornien zurückgelassen hatte, lebhafter zurück als irgend etwas anderes hier. Aus der Nachbarschaft hörte man das Getöse von klappernden Restaurant-Töpfen und -Pfannen, und es roch nach Kaffee.
    Sie zitterte noch heftiger, als wir zur Tür kamen, und ich nahm sie einen Augenblick in den Arm, während der Regen auf uns prasselte. Der kleine Garten war wie eine Symphonie aus Wassergeräuschen auf Bananenblättern, Dach und den Pflanzen, als die zwei zauberhaftesten Mulattenkinder, die ich in der ganzen Welt je gesehen hatte, das Gepäck in die Hütte trugen.
    Ich wußte nicht, ob die beiden Kinder Jungen oder Mädchen waren, und ich weiß es bis heute nicht. Sie trugen Khakishorts und weiße T-Shirts, sie hatten wächsern ölige Haut und dunkle, glänzende Augen wie die Hinduprinzessinnen auf indischen Gemälden. Sie glitten mit unseren Koffern beinahe schlaftrunken in das große, weißgetünchte Zimmer und stapelten alles aufeinander.
    Sie hatte die Art von Gepäck, die man hat, wenn man im Privatflugzeug reist, alles zueinander passend aus karamelfarbenem Leder mit goldenen Initialen, und ungefähr soviel, wie Leute mitzunehmen pflegten, wenn sie 1888 die große Rundreise über den Kontinent antraten.
    Ich gab den Kindern fünf Dollar, und sie sagten etwas mit Stimmen, wie man sie nur in New Orleans zu hören bekommt, leise, auf französisch und beinahe in Trance. Sie sahen eine Sekunde lang aus wie alte Männer, als sie fortgingen und mich anlächelten.
    Sie starrte in das Zimmer, als wäre es eine Höhle voller Fledermäuse.
    »Soll ich dich über die Schwelle tragen?« fragte ich.
    Sie schaute mich an, als hätte ich sie erschreckt. Und etwas kam für einen Moment an die Oberfläche, ein wilder Blick, den ich nicht zu interpretieren verstand. Ich fühlte wieder diese Hitze. Ich wartete nicht auf ihre Antwort. Ich nahm sie auf den Arm und trug sie hinein.
    Sie wurde wirklich rot. Sie begann zu lachen, als wolle sie es vertuschen, als dürfe sie nicht erröten.
    »Lach nur«, sagte ich und stellte sie auf die Füße. Ich lächelte sie an und zwinkerte ihr zu, wie ich es mit allen Frauen im Gartenpavillon auf der Insel getan hatte. Nur hier kam es von Herzen.
    Dann riß ich mich gerade lange genug von ihrem Anblick los, um mich umzuschauen.
    Selbst in diesem alten Dienstbotenquartier war die Zimmerdecke über vier Meter hoch. Das Mahagonibett mit vier Bettpfosten war riesig, mit einem alten, seidenen Hochzeitshimmel darüber, mit allem Drum und Dran: Engelchen und Rosenblüten und Stockflecken, als habe es irgendwann mal hereingeregnet. Ein solches Bett hätte man in den Häusern, in denen ich gewohnt habe, nicht unterbringen können.
    Ein Spiegel reichte von der marmornen Fußleiste bis zur Decke, ein Paar Schaukelstühle aus ßholz mit hohen Lehnen standen am Rand eines abgetretenen Perserteppichs. Große, breite Zypressenholzbohlen auf der gleichen Höhe wie die Steinplatten draußen und Fenstertüren über die ganze Zimmerlänge, genau wie in ihrem Zimmer im Club.
    Bad und Küche brachen den Zauber ein wenig. Weiße Kacheln, Chrom-Armaturen, Mikrowellenherd, elektrische Kaffeemaschine, wie man sie in allen luxuriösen Motels findet. Ich schloß die Türen.
    Es war nicht heiß genug für die Klimaanlage, und der Geruch des Regens war köstlich, also stellte ich die Anlage ab und ging hinaus, um

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