Exit to Eden
konnte mich nicht rühren. Der Zauber verflog so schnell, wie er gekommen war. Sie war wieder ganz Frau, sah in den Männerkleidern unglaublich sanft aus, und sie wußte Dinge über mich, die niemand wußte, keine andere Frau, und ich hatte das Gefühl, in sie hineinzuschmelzen. Vielleicht war ich es, der auf der Couch saß und sich lässig gab, aber gleich anfangen würde zu heulen.
Sie leckte sich langsam über die Lippen, und wieder schien es, als sehe sie nichts. Dann drückte sie das Buch an sich und fragte: »Warum hast du solche Angst bekommen? Ich meine, gestern abend in den Sportarkaden, als ich dich gezwungen habe, die Augenbinde zu tragen?«
Ein Schock, ein echter Schock. Als habe mir jemand einen Eimer kalten Wassers über den Kopf geschüttet. Nur wäre er dann erschlafft. Das hier machte ihn nicht schlaff. Ich fühlte mich splitternackt in diesen verdammten Kleidern. Und wie ein gefährlicher Vergewaltiger.
»Ich mochte es nicht«, sagte ich. Merkwürdig monotoner Stimme. Schließlich ist das nicht gerade die Art von Konversation, die man am Tisch in einem Restaurant führt, Himmel noch mal. Und wir sind angezogen, als wären wir zum Essen im »Ma Maison«. Wie würde es werden, wenn ich diese verfluchten Kleider auszöge? »Ich sehe lieber, was vorgeht«, sagte ich achselzuckend. »Ist das nicht normal?« Wann, zum Teufel, habe ich je normal sein wollen?
»Gewöhnlich törnt das an«, sagte sie. Aber ihre Stimme klang distanziert, nicht teilnahmslos, eher so, als ob sie im Schlaf redete.
Ihre Augen waren richtig rund. Die meisten schönen Frauen haben mandelförmige Augen, aber ihre waren rund, und das, zusammen mit dem Schmollmund, verlieh ihr ein beinahe unzivilisiertes Aussehen, obgleich sie so schlank und kantig und elegant war.
»Eine Augenbinde . manchmal macht sie es einfacher. Sich zu ergeben«, sagte sie.
»Ich gehöre dir«, sagte ich, »so oder so.« Und du hast mir das angetan, und ich habe dich gewähren lassen, und ich glaube, ich liebe dich, dachte ich.
Sie trat einen Schritt zurück. Sie drückte das Buch noch fester an sich, als wäre es ein Baby. Dann ging sie zum Schreibtisch und nahm den Telefonhörer ab.
Ich schickte mich an aufzustehen. Es war purer Wahnsinn. Sie konnte mich doch jetzt nicht wegschicken! Ich ziehe den beschissenen Telefonstecker raus! Aber noch ehe ich auf die Füße gekommen war, sagte sie etwas ins Telefon, das keinen Sinn machte.
»Macht euch in fünf Minuten bereit für die Abfahrt. Sag ihnen, der Rest des Gepäcks ist abholbereit.« Sie legte auf und schaute mich an. Ihre Lippen bewegten sich, aber sie blieb eine Sekunde lang still. Dann ordnete sie an: »Steck deine Brieftasche und deinen Paß in die Tasche, und nimm dir, was du mitnehmen willst, aus dem Koffer.«
»Soll das ein Scherz sein?« fragte ich. Aber es war einfach zu schön, so, als würde jemand sagen, wir fahren zum Mond.
Die Türen gingen auf, und zwei junge Schnösel - weiße Kleidung, jedoch kein Leder kamen herein und wollten die Koffer nehmen.
Ich griff nach meiner Uhr, steckte die Brieftasche in meine Hosentasche, den Paß in die Jacke. Auf dem Grund des Koffers sah ich mein Tagebuch und nahm es mit einem Seitenblick auf sie heraus. Vermutlich brauchte ich meine Schultertasche, eine zerknautschte Leinentasche, die ich überallhin mitschleppte; ich zog sie von ganz unten aus dem Koffer, steckte das Tagebuch hinein und hängte sie mir über die Schulter.
»Was, in aller Welt, geht hier vor?« fragte ich sie.
»Beeil dich«, gab sie zurück.
Die beiden Schnösel trugen die Koffer hinaus. Sie ging hinter ihnen her. Sie trug noch immer das Buch in der linken Hand.
Sie war schon auf dem Flur, als ich sie einholte.
»Wohin gehen wir?« fragte ich. »Ich versteht nicht.«
»Sei still«, flüsterte sie. »Bis wir draußen sind.«
Sie ging quer über die Wiese und durch die Blumenbeete. Ihre Schultern waren besonders eckig, ihr Gang hastig, beinahe schwankend. Die Gehilfen luden das Gepäck in ein kleines Elektrogefährt. Die beiden setzten sich auf die Vordersitze, und sie winkte mir, mich nach hinten zu setzen.
»Wirst du mir sagen, was wir machen?« fragte ich, während ich mich neben sie quetschte.
Mein Bein war gegen sie gepreßt, und mir fiel auf, wie klein sie war, als das Fahrzeug ein ßchen zu schnell losfuhr und sie gegen mich gedrückt wurde. Sie war wie ein kleiner Vogel neben mir, und ich konnte ihr Gesicht unter der Hutkrempe nicht sehen. »Lisa, gib mir doch eine
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