Exit
wirklich den Krippentod - noch eine traumatische Krankheit in Cindys Leben und vielleicht der Funke, der ihre Psychose zum Ausbruch brachte -, oder sie hat ihn selbst erstickt.«
»Glaubst du, sie wird die Finger von der Kleinen lassen, jetzt wo du die Zylinder gefunden hast?«
»Das wäre logisch, aber in dem Machtspiel, das Münchhausens treiben, könnte es auch genau das Gegenteil bewirken. Es könnte sie herausfordern, es mir heimzuzahlen. Vielleicht habe ich die Gefahr für Cassie noch erhöht, wie soll ich das wissen?«
»Wo sind die Zylinder jetzt?«
»Ich hab sie bei mir, im Auto. Kannst du sie auf Fingerabdrücke untersuchen lassen?«
»Sicher, aber Cindys oder Chips Abdrücke würden nicht viel bedeuten. Einer von beiden muß die Schachtel schließlich in den Schrank gelegt haben, auch wenn es Jahre her ist und sie sie seitdem vergessen haben.«
»Und was ist mit dem fehlenden Staub?«
»Es ist eben ein sauberer Schrank, oder du hast den Staub selbst verwischt, als du die Schachtel herausnahmst. Ich rede jetzt wie ein Strafverteidiger, obwohl wir noch längst nicht so weit sind, daß jemand einen benötigte. Benedicts Fingerabdrücke würden natürlich auch nichts heißen, denn er war es schließlich, an den die Schachtel zunächst geschickt worden war.«
»Nach dem Tod der Tante hätte er eigentlich keinen Grund mehr, sie an Cindy weiterzugeben.«
»Ja, richtig! Wenn diese Zylinder nachweislich später verschickt worden wären, dann hätten wir etwas in der Hand. Gibt es vielleicht Seriennummern auf den Dingern oder einen Lieferschein?«
»Laß mich nachsehen … kein Lieferschein, aber hier sind die Nummern. Das Copyright auf dem Merkzettel ist übrigens fünf Jahre alt.«
»Gut. Gib mir die Nummern, und ich werde mich darum kümmern. Inzwischen halte ich es für das beste, du rückst Cindy weiter auf die Pelle. Mach weitere Treffen mit ihr aus, ohne das Kind.«
»Das habe ich schon getan. Ich sehe sie morgen abend.
Chip wird dann auch dabeisein.«
»Noch besser. Du mußt sie jetzt frontal angreifen. Sag ihr, jemand macht Cassie krank und du wüßtest auch, wie. Halte ihr einen dieser Zylinder unter die Nase und sag ihr, du würdest ihr nicht abnehmen, sie wären von ihrer Tante übriggeblieben. Du mußt Risiken eingehen, Alex, den großen Bluff wagen. Sag, du hättest mit dem Staatsanwalt gesprochen und der sei bereit, Anklage wegen versuchten Mordes zu erheben. Ich wette, dann bricht sie zusammen.«
»Und wenn nicht?«
»Dann bist du den Fall los, na und? Jedenfalls weiß sie dann, daß jemand ihr auf den Fersen ist. Ich sehe nicht, was es bringen könnte, noch länger zu warten.«
»Und was soll ich mit Stephanie machen? Soll ich sie einweihen? Ist sie nicht mehr verdächtig?«
»Ich würde dir raten, ihr erst mal von den Insulinzylindern zu erzählen und zu sehen, wie sie reagiert. Wenn du danach meinst, du kannst ihr trauen, erzählst du ihr den Rest.«
Die Insujects hatten mich meinen Besuch bei Dr. Janos ganz vergessen lassen. Ich erzählte Milo, wie Hünengart mir bei den Disketten zuvorgekommen war. Ich erwähnte auch meine Anrufe bei Ferris-Dixon und bei Professor Zimberg und wie sich meine Erpressungstheorien entwickelt hatten.
»Alles sehr spannend«, sagte Milo, »aber laß dich nicht ablenken, es geht immer noch um Cassie. An Hünengart bin ich noch dran, bisher aber ohne Erfolg. Wo finde ich dich, falls ich etwas Neues herausfinde?«
»Ich werde jetzt zum Krankenhaus weiterfahren. Wenn Stephanie da ist, werde ich mich gleich mit ihr unterhalten. Andernfalls werde ich zu Hause sein.«
»In Ordnung. Vielleicht sollten wir uns später zusammensetzen und unsere Theorien wälzen. Wäre dir acht recht?«
»Ja, acht Uhr geht. Danke für alles.«
»Bedanke dich lieber nicht. Es wird noch eine Zeit dauern, bis wir mit uns zufrieden sein können.«
28
Es war kurz vor vier, als ich im Ärzteparkhaus aus dem Wagen stieg. Ich klemmte mir meinen Ausweis ans Revers und machte mich auf den Weg zur allgemeinen Kinderklinik.
Stephanies Tür war abgeschlossen. Ich schrieb einen Zettel, daß sie mich anrufen sollte. Als ich mich gerade bückte, um ihn unter der Tür durchzuschieben, hörte ich eine rauhe, weibliche Stimme hinter mir.
»Kann ich Ihnen irgendwie helfen?«
Ich richtete mich auf, drehte mich um und stand einer Frau, etwa Ende Sechzig, gegenüber. Über einem hoch geschlossenen schwarzen Kleid trug sie den weißesten weißen Kittel, den ich je gesehen hatte. Ihr Gesicht
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