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Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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war tief gebräunt, faltig und verkniffen unter einem Helm aus glattem weißem Haar. Ihre Augen waren klein, türkisfarben und sehr alert.
    »Sie sind sicher Dr. Kohler«, sagte ich. »Darf ich mich vorstellen: Alex Delaware.«
    Wir tauschten einen Händedruck aus, sie las meine Plakette. Die Verwirrung stand ihr gar nicht gut.
    »Ich habe früher dazugehört«, erklärte ich. »Wir haben auch manchmal zusammengearbeitet.«
    »Ach ja, ich erinnere mich.« Das stimmte zwar nicht, aber ihr warmes Lächeln machte die kleine Lüge entschuldbar.
    »Suchen Sie Stephanie?«
    »Ja, ich muß wegen einer Patientin mit ihr reden.«
    Ihr Lächeln war noch da, doch ihr Blick wurde eisig. »Ich suche sie zufällig auch. Sie sollte eigentlich hier sein. Aber unsere zukünftige Abteilungsleiterin ist wohl zu beschäftigt.«
    Ich heuchelte Überraschung.
    »O ja«, sagte sie, »ihre Beförderung ist ausgemachte Sache, sagen die, die es wissen sollten. - Na, ich wünsche ihr alles Gute. Ich hoffe nur, sie lernt, ein bißchen besser mit ihren Terminen umzugehen. Soeben ist unangemeldet einer ihrer jungen Patienten erschienen, ein Junge von vierzehn. Jetzt ist er draußen im Wartezimmer und macht eine Szene. Und Stephanie geht weg, ohne sich abzumelden.«
    »Das sieht ihr gar nicht ähnlich.«
    »Ach, wirklich nicht? In letzter Zeit scheint das für sie eher normal geworden zu sein. Vielleicht hat sie sich im Geist schon selber befördert.«
    Eine Schwester kam vorbei.
    »Juanita?«
    »Ja, Doktor Kohler?«
    »Haben Sie Stephanie gesehen?«
    »Ich glaube, sie ist weggegangen.«
    »Aus dem Krankenhaus?«
    »Ich glaube, ja, Doktor. Sie hatte ihre Handtasche bei sich.«
    »Danke, Juanita.«
    Als die Schwester verschwunden war, zog Kohler ein Schlüsselbund aus der Tasche, rammte einen der Schlüssel in Stephanies Schloß und öffnete mir die Tür.
    »Bitte schön!« Sie zog den Schlüssel mit einem Ruck heraus und stolzierte davon.
    Die Espressomaschine war noch warm, und auf dem Schreibtisch, neben Stephanies Stethoskop, stand eine halbvolle Tasse. Der Duft frischen Röstkaffees überdeckte den beißenden Geruch nach Desinfektionsmitteln, der aus dem Untersuchungszimmer herüberwehte. Auf dem Schreibtisch lagen auch noch ein Stapel Patientenakten und eine Schreibunterlage, die gleichzeitig als Notizblock diente. Als ich meinen Zettel hinlegte, bemerkte ich auf dem obersten Blatt der Unterlage eine einzelne, hastig hingekritzelte, kaum lesbare Zeile: B, Brwsrs, 4.
    »Browsers« - der Buchladen, wo sie den ledergebundenen Byron erworben hatte, der oben im Regal stand.
    B wie Byron? Wollte sie sich noch einen kaufen? Oder wollte sie sich mit jemandem treffen? Wenn die vier bedeutete, daß es heute um vier war, dann müßte sie jetzt dort sein.
    Ein seltsamer Termin, mitten an einem hektischen Nachmittag.
    Das sah ihr wahrhaftig nicht ähnlich. Jedenfalls nicht bis vor kurzem, wenn man Dr. Kohler glaubte.
    Ging es um etwas Romantisches, das sie aus der Gerüchteküche des Krankenhauses heraushalten wollte, oder suchte sie nur ein wenig Privatsphäre, ein bißchen Ruhe inmitten verstaubter Bücher?
    Auf ihre Privatsphäre hatte sie weiß Gott ein Recht. Zu schade, daß ich sie stören mußte.
    Es war nur eine halbe Meile vom Krankenhaus nach Los Feliz, doch der Verkehr war so zäh, daß ich fast zehn Minuten brauchte.
    Der Buchladen war auf der Westseite der Straße. Die Fassade war noch dieselbe wie vor zehn Jahren: ein cremefarbenes Schild mit schwarzen, gotischen Buchstaben, »Antiquarische Buchhandlung«, über staubigen Fenstern. Ich fuhr vorbei und hielt nach einem Parkplatz Ausschau. Auf meiner zweiten Runde um den Block erspähte ich einen alten Pontiac mit leuchtenden Rückfahrscheinwerfern und wartete, bis eine sehr kleine, sehr alte Dame sich aus der Parklücke gekämpft hatte. Als ich gerade mit dem Einparken fertig war, kam jemand aus dem Buchladen.
    Presley Hünengart.
    Sogar aus dieser Nähe war sein Schnurrbart kaum sichtbar. Ich rutschte tiefer in meinen Sitz. Er fummelte an seiner Krawatte, setzte seine Sonnenbrille auf und warf flinke Blicke in alle Richtungen. Ich rutschte noch tiefer und war ziemlich sicher, daß er mich nicht gesehen hatte. Er faßte sich noch einmal an seinen Schlips und marschierte los Richtung Süden. An der nächsten Ecke bog er rechts ab und verschwand, und ich konnte mich wieder ordentlich hinsetzen.
    Zufall?
    Er hatte kein Buch in der Hand gehabt, doch es war schwer zu glauben, daß er derjenige

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