Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Exit

Exit

Titel: Exit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
Vom Netzwerk:
geht es ihr?«
    »Sie ist vollkommen erschöpft. Vermutlich normal nach solch einem Anfall.«
    »Wahrscheinlich.«
    »Ihre Mutter sagte, die Kleine konnte ihr Essen nicht bei sich behalten.«
    »Ach ja, die Mutter … Was kann ich denn für Sie tun?«
    »Ich habe Ihre Notiz bezüglich psychologischer Beratung gelesen und möchte wissen, ob Sie dabei an etwas Bestimmtes dachten.«
    Eine lange Pause am anderen Ende der Leitung. Dann: »Wo sind Sie jetzt?«
    »Auf der Privatstation, am Stationsschalter.«
    »Gut. In zwanzig Minuten habe ich Diabetes-Sprechstunde im dritten Stock, Ostseite. Ich könnte ein bißchen früher losgehen. Warum treffen wir uns nicht dort, sagen wir, in fünf Minuten?«
    Er winkte, als er mich kommen sah. Ich erkannte ihn als einen der jungen Ärzte, die bei Ashmores Gedenkversammlung gewesen waren. Ich schätzte ihn auf etwa fünfunddreißig. Er stellte sich mir als Al Macauley vor und führte mich in ein Untersuchungszimmer.
    »Was kann ich für Sie tun?« wiederholte er.
    »Es geht mir um Ihre Erkenntnisse über Cassie Jones. In Ihrem Kurzbericht auf Ihrer Karte empfehlen Sie psychologische Unterstützung, und jetzt frage ich mich -«
    »- ob ich, A, ein besonders zartfühlender Mensch bin oder ob mir, B, der Fall verdächtig erscheint, nicht wahr? Die Antwort ist B.«
    »Wenn Sie ›verdächtig‹ sagen, denken Sie dabei an Stellvertreter-Münchhausen?«
    »Nennen Sie es, wie Sie wollen… Ich bin Endokrinologe, kein Psychiater. Mit den Drüsenfunktionen der Kleinen ist jedenfalls alles in Ordnung, soviel kann ich sagen.«
    »Sind Sie da sicher?«
    »Schauen Sie: Ich bin nicht zum erstenmal mit diesem Fall beschäftigt. Ich hatte sie schon vor Monaten in der Mangel, als sie mit angeblichem Blut im Stuhl zu uns kam. Niemand hat den blutigen Stuhl je gesehen, außer der Mutter, und ein paar rote Flecke auf einer Windel bedeuten für mich gar nichts. Die könnten auch von einem wunden Popo kommen. Und meine Untersuchung damals war gründlich. Ich habe jeden Test versucht, der im Buche steht, und mehr.«
    »Für den Anfall vorletzte Nacht gibt es aber Zeugen.«
    »Das weiß ich«, sagte er ungeduldig. »Die Schwestern und die Verwaltungshilfe. Und die Blutzuckerwerte wären eine physiologische Erklärung, schön. Aber die Frage bleibt, woher der Zuckermangel kommen soll. Organische Schäden oder Stoffwechselstörungen sind nicht zu finden, und die Zuckerspeicherung funktioniert einwandfrei, genau wie die Bauchspeicheldrüse.«
    »Und was ist mit der anderen Möglichkeit, daß sie unter einer seltenen Variante einer bekannten Krankheit leiden könnte?«
    Er schaute mich an und sagte: »Möglich ist alles.«
    »Aber Sie glauben es nicht.«
    »Ich glaube nicht, daß es etwas mit ihren Drüsen zu tun hat. Nach meiner Ansicht haben wir hier ein gesundes Kind vor uns, das aus einem bestimmten Grund zu niedrige Zuckerwerte aufweist.«
    »Meinen Sie, jemand hat ihr etwas gegeben?«
    »Ja, das meine ich. Was soll man sonst denken, wenn man sich den gesamten Verlauf ansieht? Und dann noch die Art, wie ihr Bruder gestorben ist…«
    »Wurden Sie in dem Fall auch konsultiert?«
    »Nein, wozu auch? Es handelte sich ja um Atembeschwerden. Ich will nicht sagen, daß es etwas zu bedeuten hat - Krippentod kommt tatsächlich vor. Aber in diesem Fall gerät man doch ins Grübeln, oder?«
    Ich nickte. »Als ich von der Zuckergeschichte hörte, dachte ich sofort an eine Insulinvergiftung, aber Stephanie sagte, sie hätte keine frischen Injektionsspuren gefunden.«
    Er zuckte die Schultern. »Und wenn schon. Es gibt genügend Möglichkeiten, jemanden zu spritzen, ohne Spuren zu hinterlassen. Zum Beispiel, wenn man eine wirklich kleine Nadel nimmt, wie man sie für Neugeborene benutzt. Und dann sucht man sich eine Stelle aus, wo ein Einstich leicht zu übersehen ist, die Pofalte zum Beispiel oder die Kniekehlen oder zwischen den Zehen oder am Haaransatz. Meine Junkie-Patienten lassen sich immer etwas Neues einfallen. Und Insulin spritzt man direkt unter die Haut. Die Einstiche heilen besonders schnell.«
    »Haben Sie Ihren Verdacht auch Stephanie gegenüber geäußert?«
    »Natürlich, aber sie glaubt lieber an etwas Exotisches. Unter uns gesagt: Ich hatte nicht das Gefühl, daß sie wirklich hören wollte, was ich zu sagen hatte. Nicht, daß es mich etwas anginge, ich bin sowieso fertig mit dem Fall. Ich bin fertig mit dem ganzen Laden hier.«
    »Sie verlassen das Krankenhaus?«
    »Darauf können Sie Gift nehmen.

Weitere Kostenlose Bücher