Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)
Schauspielerinnen, die sich als Modell zur Verfügung stellten, so viel Aufmerksamkeit erreichten die schönen Obermaier-Puppen in den Boutiquen. Das Geschäft der Obermaiers lief jedenfalls super, und davon profitierte ich als in die Großfamilie hineingeborenes Kind auch. Zwar war mein Vater nicht der Fürsorglichste, aber der Familienzusammenhalt zwischen den Obermaiers war enorm. So waren meine Cousins und meine Cousinen alle meine Freunde und Freundinnen. Meine Lieblingscousine Bella ist bis heute immer noch eine meiner besten Freundinnen, und ich besuche sie jedes Jahr im Sommer in München.
Für die alljährliche Badesaison gab es für jedes Obermaier-Kind etwas Nützliches: einen passenden Bademantel im selben Design. Für die Großen wie die Kleinen, meine Cousine Bella und mich. Zu unseren Bademänteln bekamen wir auch jeder einen Schubkarren geschenkt. Damit wir sie nicht verwechselten, gab es für jeden einen in einer anderen Farbe. Und die wurden keineswegs nur zum Vergnügen benutzt. Nein, die Obermaiers waren auch in ihrer Freizeit fleißig und arbeitsam. Wenn es dann im Garten oder am Haus etwas zu tun gab, dann sah man uns Zwerge und die Größeren mit unseren Schubkarren im Schweiße unseres Angesichts Erde oder Sand durch den Garten karren …
Die Obermaiers
Unsere Bademäntel waren quasi unsere Grundausstattung für den Sommer. Jedes Jahr verbrachten wir die Sonnenmonate am Starnberger See. Das war wunderschön und ähnelte schon sehr einem freien Leben, wie ich es mir vorstellte. Außerdem war ich umgeben von meinen besten Freunden, meinen Cousinen und Cousins. Schon damals in den fünfziger Jahren war er der Lieblings-Badesee der wohlhabenderen Münchner. Am Ufer reihten sich Villen, Schlösser und Privatstege, und darunter war eben auch das tolle, großzügige Haus mit Seegrundstück, das meine Oma hier für die ganze Familie gepachtet hatte. Es war unser Lieblingsplatz in den Sommerferien und an den Wochenenden, an denen wir regelmäßig mit der ganzen Bagage hinfuhren. Dann fuhren wir auf dem Segelboot herum, oder ich sah meiner Mutter zu, wie sie immer weit, weit hinausschwamm. Da bekam ich es immer mit der Angst. Was wäre, wenn sie nicht mehr zurückkäme? Nur noch ihren Kopf sah ich da weit draußen, winzig klein. Was, wenn sie auch weg wäre?
Mein Vater besaß auch ein Segelboot, und das sah fast so aus wie ein altes Piratenschiff. Das fand ich natürlich besonders schön und sehr verwegen. Er pflegte sein Image als wilder Kerl schon sehr. Später machte er auch noch einen Flugschein und kam dann am Wochenende an den See geflogen. Wir standen alle auf dem Steg und guckten mit offenen Mündern in den Himmel. Was für eine Show er da bot, wenn er über uns hinwegflog! Mein Herz klopfte, und ich war so stolz auf ihn: »Das ist mein Vati, das ist mein Vati«, sagte ich innerlich, »mein Held!« Ich war so sehr stolz auf meinen Papa, auf diesen Menschen, der, wie ich Jahre später gelernt habe, nur ein kalter Mensch und Fähnchenschwenker war. Trotzdem war er lange, lange Zeit mein Alles.
Geliebtes Monster: mein Vater
Alle Obermaiers waren ein Haufen kalter Brocken, das meint auch meine Cousine Bella – uns beide natürlich ausgenommen. Ich habe es lange nicht erkennen können, denn als Kind bist du bereit, ohne Ende auf Zuwendung zu warten. Außerdem kannte ich es auch gar nicht anders. Bei Obermaiers wurden keine Gefühle gezeigt, was aber nicht heißt, dass alle Familienmitglieder verbissene katholische Asketen gewesen wären. Sie gingen einfach über alles Tiefe hinweg. Das Leben bestand nur an der Oberfläche. Wichtig waren Geld und ein gutes Leben. Ja, und sie wussten wirklich, wie man gut lebte. Mein Vater, das schwarze Schaf, war am besten darin. Er war allerdings das geliebte schwarze Schaf, wohlgemerkt. Meine Oma liebte ihn von allen ihren sechs Kindern am meisten. So wurde aus Mamas Liebling dann der Draufgänger, der Frauenheld. Immer war etwas los bei ihm. Das gefiel mir, und bis heute mag ich Menschen, bei denen etwas geboten ist, die irgendetwas machen aus ihrem Tag, die lebendig sind.
Max Obermaier war nicht nur ein Lebemann, sondern ein sehr kreativer Mensch. Er hatte ein eigenes Atelier und war damals einer der begehrtesten Dekorateure für die besten Läden und Geschäfte in München. Bei der Damenwelt war er auch deshalb heiß begehrt, weil er einen umwerfenden Charme besaß, viel Sinn für Sinnlichkeit und Schönheit, aber auch für Lust und Exzess.
Die Frauen an
Weitere Kostenlose Bücher