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Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition)

Titel: Expect nothing!: Die Geschichte einer ungezähmten Frau (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uschi Obermaier
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war ein Unglück, dass ihn die Stoßstange des Trucks so getroffen hatte, dass die Aorta geplatzt war.
    So endete ein Leben, das ein Therapeut als lebenslange Abwehr einer Depression deuten kann. Dahinter gab es eine Leere, die nie gefüllt werden konnte mit bedeutungsvollen Dingen. So blieb alles auf der Unterhaltungsebene, und die Frage »Wer bin ich wirklich?« blieb für ihn unbeantwortet. Es war einer der traurigsten Tage in meinem Leben.
    Uschi konnte weitermachen nach diesem Zusammenbruch ihres gemeinsamen Lebens, weil sie über eine Eigenschaft verfügt, die lebenserhaltend und kreativ ist: Sie ist bodenständig, da sie aus einem bodenständigen, wenn auch spießigen Elternhaus stammt. Das gab ihr so etwas Solides. Ich glaube auch, dass Uschi deshalb nie am Abgrund stand oder in Gefahr gewesen wäre, den Drogen zu verfallen. Es gab diese schlimme Zeit, in der sie völlig orientierungslos war und keine Ahnung hatte, wo sie Fuß fassen sollte. Aber durch ihre Fähigkeit, Menschen für sich zu begeistern, hatte sie ihre amerikanischen Pateneltern gewonnen. Außerdem war sie immer mutig, hat ihre Nase ins Leben gesteckt, während sie aber eben mit den Füßen immer am Boden blieb. Sie besitzt einfach eine lebensbejahende Kraft und ist bei sich.

Ich habe alle meine Männer sehr geliebt, …
    … aber während es mit Rainer nach zwei Jahren vorbei war, ist meine Liebe zu Bockhorn mit der Zeit gewachsen. Das hing auch mit dem Respekt davor zusammen, was er alles machte, was er alles auf die Beine stellte. Wie reich das Leben mit ihm war und wie er versuchte, seine Ziele umzusetzen! Das Café hat er ja zuerst eröffnet, um den Leuten, die ständig bei uns zu Hause herumhingen, einen Platz zu geben. Das hing nicht damit zusammen, dass er nicht großzügig gewesen wäre, sondern dass wir diese Besuche irgendwann nicht mehr finanzieren konnten. Mit der Zeit entwickelte sich das dann zu einer Goldgrube, und wir konnten mit dem Café auch auf unsere Reise nach Indien hinarbeiten.
    Dazu kamen seine Unerschrockenheit und, ja, eine ganz altmodische Tugend: Ritterlichkeit. Als wir in Indien waren, gingen wir an einem Tag in ein Schwimmbad. Ich planschte herum, plötzlich sehe ich, wie Bockhorn – ich glaube, sogar mit Kleidung – ins Wasser springt. Er hatte als Einziger von den vielen Menschen, die das Bad bevölkerten, gesehen, dass da ein kleines Kind um sein Leben kämpfte und schon untergetaucht war. So war er, unglaublich wach und aufmerksam, und gab im Zweifelsfall alles.
    Er gab immer sein Schönstes her, wenn er das Gefühl hatte, der andere hatte einen Blick darauf geworfen. Ich würde vielleicht mein Zweit- oder Drittschönstes hergeben, um jemand anderem eine Freude zu bereiten. Da war er viel bedingungsloser, großherziger. »He was a prince among men«, das haben sogar Männer über ihn gesagt, ein Juwel von einem Menschen, der jeden, egal, welcher Herkunft und auch welchen Alters, begeisterte. Er war geistreich, schlau und auch schlagfertig – alles Dinge, die ich an ihm bewunderte.
    Bockhorn war immer und jederzeit einfach ein Mann. Er konnte nackt dastehen ohne diese ganzen Äußerlichkeiten, die andere manchmal brauchen, um sich männlich zu fühlen, und war ganz und gar ein Mann.
    Dazu kam dieser unglaubliche Charme. Auf dem Indientrip passierte es, dass wir schon längst das Land hätten verlassen müssen, da unsere Aufenthaltsgenehmigung abgelaufen war. Wir waren schon an der Grenze zu Nepal, und die Grenzer wollten uns nicht durchlassen. Eine Strafe von nicht weniger als 50 000 Dollar war fällig oder unser Bus als Sicherheit. Also fuhren wir zurück nach Delhi zur Deutschen Botschaft, wo Bockhorn mal wieder seinen Charme spielen ließ. Mit dem Botschaftsauto mit deutscher Flagge vor unserem Bus her fuhren wir zu der Visa-Behörde, und die Sache war prompt erledigt. Es war ein fantastisches, reiches Leben mit ihm auf dieser Reise – ein Traumleben mit einem fantastischen, funkelnden Partner. Er hat das Feuer in seinen Augen gehabt, blaue Blitze wie ein Halbgott aus unsoliden Verhältnissen.
    Was ich neben seiner Vorurteilslosigkeit von ihm gelernt habe und dass es egal ist, wie jemand aussieht, sondern nur, wie jemand wirklich ist und fühlt, das ist seine Philosophie: sich selbst immer und unbedingt treu zu bleiben. Auf unseren Reisen haben wir ja so viele Menschen kennengelernt, von denen viele wie wir auf der Suche nach dem echten Leben waren. Mit denen hat er gesprochen, wenn er spürte, dass

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