Expedition ins Paradies
sind, Beth. Das würde die nächsten zwei Wochen sehr viel einfacher machen. Für uns beide.”
“Dann hör endlich auf, mich Beth zu nennen!” erwiderte sie spitz. Der Kosename rief zu viele gefühlsbeladene Erinnerungen wach, Augenblicke, die nichts mehr bedeuteten.
Tom senkte den Kopf. “Tut mir Leid, Elizabeth.” Er hob sein Weinglas. “Auf dich.”
Sie zuckte die Schultern und trank einen Schluck aus ihrem Glas. “Schmeckt gut”, bemerkte sie gleichmütig und setzte sich kerzengerade auf. “Ich weiß, du kannst es kaum erwarten, mir zu erzählen, was zu all den erstaunlichen Wandlungen in deinem Leben geführt hat … also sag’s mir”, forderte sie ihn kühl auf. Wenn sie Tom zeigte, dass sie bereit war, sich anzuhören, was er in den vergangenen eineinhalb Jahren gemacht hatte, konnte sie ihn vielleicht überzeugen, dass er ihr nichts mehr bedeutete.
Und sich selbst.
Er senkte die Lider und atmete tief durch, und Elizabeth merkte, dass sie ihn diesmal überrascht hatte. Offenbar hatte er nicht damit gerechnet, dass sie ihn ausfragen würde. Sie spürte, dass er mit sich kämpfte und sich nicht sicher zu sein schien, was er ihr sagen sollte.
Oder ob er sich ihr überhaupt anve rtrauen wollte.
Verbitterung überkam sie. Weil er die eineinhalb Jahre mit dieser anderen Frau vergeudet hatte? Oder anderen Frauen? Elizabeth presste die Lippen zusammen und kämpfte gegen ihren Gefühlsaufruhr an. Kein Wunder, dass Tom zögerte. Er wollte sie nicht erneut verletzen, die alten Wunden nicht wieder aufreißen. Und sie wäre verrückt, die traurigen Einzelheiten jetzt auch noch aus ihm herausholen zu wollen.
Doch als sie Tom gerade erklären wollte, dass sie das eigentlich nicht interessiere, begann er zu sprechen.
“Mein Vater ist vor einigen Monaten gestorben.” Zum ersten Mal klang seine Stimme bewegt.
Wieso entwickelte er auf einmal Gefühle für seinen Vater? Soweit Elizabeth wusste, hatte Tom ihn nur selten erwähnt und seit Jahren nicht mehr gesehe n. “Er war erst vierundsechzig.
Vielleicht erinnerst du dich, dass ich dir von meiner Mutter erzählt habe, die mit einundfünfzig gestorben ist. Auch ein Onkel von mir ist nach jahrelanger Krankheit viel zu jung gestorben. Da ist mir plötzlich klar geworden, wie kurz das Leben sein kann. Das hat mich getroffen, mich aufgeweckt und mir bewusst gemacht, was ich alles falsch gemacht habe. Aus heiterem Himmel ist mir aufgegangen, dass ich mein Leben ändern musste, sonst würde ich auch nicht alt werden.”
Elizabeth saß ganz still da. Etwas in Toms Stimme rührte sie an. Zum ersten Mal, seit sie Tom kannte, zeigte er ihr seine empfindsame, verwundbare Seite. Er ließ sie merken, dass er nicht unbesiegbar war und das endlich erkannt hatte. Der Tod seiner Eltern und seines Onkels hatte ihn wachgerüttelt und ihm gezeigt, wie zerstörerisch er mit sich und seiner Gesundheit umging.
Es hatte ihn also nicht seine Freundin dazu gebracht, seine schlechten Gewohnheiten abzulegen. Erst der vorzeitige Tod von Menschen, die er geliebt hatte, war ihm so nahe gegangen, dass er sich grundlegend geändert hatte, um einem ähnlichen Schicksal zu entgehen.
“Tut mir Leid, das von deinem Vater zu hören, Tom”, sagte Elizabeth und musste sich räuspern. Sie hatte seinen Vater nie kennen gelernt, und Tom hatte nie über ihn sprechen wollen. “Wir haben uns nicht besonders gut verstanden” war alles, was er je geäußert hatte.
Nach dem Tod seiner Mutter hatte sein Vater wieder geheiratet, und Tom war mit seiner frisch gebackenen Stiefmutter auch nicht zurechtgekommen. Nach einer heftigen Auseinandersetzung war er zu Hause ausgezogen, und zwischen ihm und seinem Vater hatte seitdem Funkstille geherrscht. Für Tom waren die Familienbande damit durchtrennt gewesen.
“Danke”, erwiderte er nur, und wieder spür te Elizabeth, dass er sich nicht anmerken lassen wollte, was er fühlte, denn seine Miene war ausdruckslos.
Dennoch konnte Elizabeth sich nicht zurückhalten. “Hast du … deinen Vater noch mal sehen können, ehe er starb?” fragte sie leise. Hattet ihr noch Gelegenheit, euch vorher zu versöhnen?
meinte sie eigentlich.
Tom schüttelte den Kopf. “Leider nicht.” Er blickte in sein Glas, und an seiner Schläfe pochte eine Ader. “Es kam ganz plötzlich. Ein Herzanfall.”
Mitgefühl erfasste Elizabeth. Sie spürte, dass Tom litt, obwohl seine Miene maskenhaft starr war und keine Regung zeigte. Es berührte Elizabeth seltsam, dass sie immer
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