Expedition ins Paradies
auszuloten, um festzustellen, wie sie reagieren würde?
Oder stellte Tom sie auf die Probe und wollte sehen, ob sie schwach wurde und verriet, dass sie immer noch etwas für ihn empfand?
Elizabeth verbot sich, den Gedanken weiterzuspinnen. Ich werde dir zeigen, was ich für dich empfinde, Tom Scanlon! Wenn sie es nicht tat, war sie verloren.
Entschlossen warf sie den Kopf zurück und lachte verächtlich. “Versuchen kannst du’s ja, Tom, aber bei mir kommst du nicht weit.” Sie staunte selbst, wie kühl und beherrscht ihre Stimme klang.
Wenn er auch nur ahnte, wie gefährlich nahe sie daran war, schwach zu werden!
Elizabeth rief sich zur Ordnung und dachte an die Frau, die er ihr vorgezogen hatte.
Das half. Abschätzig rümpfte Elizabeth die Nase. “Ich glaube, mir würde schlecht werden, wenn du versuchen solltest, mich zu küssen, Tom Scanlon!” Das dürfte ihm einen Dämpfer versetzen. Kühl fuhr sie fort: “Du scheinst zu vergessen, dass du lediglich mein Führer bist -
und das auch nur während dieser Tour. Danach ist alles vorbei. Für immer.” Die Endgültigkeit der Entscheidung ließ Elizabeth erschauern. Aber natürlich meinte sie es ernst. “Verstanden?”
Ohne Toms Antwort abzuwarten, ging sie davon.
Doch er holte sie mit seinen langen Schritten ein. “Beth, warte …”, bat er und nahm ihren Arm.
Sie fuhr herum und versteifte sich. Wusste er, was er mit ihr machte? Wie lange sie gebraucht hatte, um aus dem tiefen Loch der Verzweiflung herauszufinden, in das sie gestürzt war, nachdem Tom sie verlassen hatte? Und anscheinend war sie selbst jetzt noch nicht darüber hinweg. Sie verachtete ihn immer noch für das, was er ihr angetan hatte, und dennoch …
Elizabeth unterdrückte ein Stöhnen. Unglaublich, aber sie sehnte sich immer noch nach ihm.
Doch genau das durfte sie nicht. Sie wäre verrückt, wenn sie sich von ihm ein zweites Mal einwickeln lassen würde. Selbst wenn er sich geändert hatte, und sogar wenn er bereute, was er getan hatte. Wie sollte sie je so weit kommen, ihm wieder vertrauen zu können?
Um die aufkommende Panik zu überspielen, flüchtete Elizabeth sich in Zorn. “Du sollst mich nicht so nennen!” fuhr sie Tom an, und ihre Augen blitzten abweisend. “Und lass mich los!”
Sofort ließ Tom die Hand sinken. Als sie das Glitzern in seinen Augen sah, wurde sie unsicher. Der amüsierte Ausdruck war verschwunden. Toms Miene war plötzlich ernst, und er zog die Brauen hoch, als kämpfte er mit einem großen Problem.
“Was ist?” fragte Elizabeth schroff. “Hast du etwa vergessen, mich aufzuklären, dass hier in der Gegend ein Grizzlybär herumstreift?”
Im gleißenden Mondlicht leuchteten Toms Augen auf. “Nicht direkt.” Er lächelte schwach.
“Es ist nur …” Er betrachtete Elizabeth und seufzte. “Ach nichts. Du bist müde, und es ist spät.” Langsam trat er zur Seite, um sie vorbeizulassen. “Gute Nacht, Elizabeth.”
“Gute Nacht, Tom”, erwiderte sie steif und eilte an ihm vorbei zum schützenden Zelt. Sie wollte nicht einmal darüber nachdenken, was er ihr hatte sagen wollen. Sobald sie im Zelt war, schloss sie rasch die Reißverschlusstür und atmete erleichtert auf. Müde, wie sie war, schlüpfte sie gänzlich angekleidet in ihren Schlafsack.
Doch der Schlaf wollte sich nicht sofort einstellen, obwohl der Schlafsack bequem war und das geschlossene Zelt sie vor den draußen herumschwirrenden Moskitos schützte.
Dennoch drang jedes Geräusch zu Elizabeth, jedes Rascheln und Knistern. Nach einer Weile mischten sich darunter neue Laute, eine einschmeichelnde, wehmütige Melodie, die seltsam anrührend und beruhigend wirkte.
Romantische, bittersüße Erinnerungen überkamen sie.
Tom spielte auf seiner Mundharmonika!
Elizabeth lag ganz still da und konnte kaum atmen. Das letzte Mal hatte sie ihn auf einer gemeinsamen Spritztour in den Busch spielen gehört, als sie ihn auf einem seiner Hubschrauberflüge zu einer Rinderfarm in Queensland begleitet hatte. Abends hatten sie vor dem lodernden Lagerfeuer gesessen, und er hatte dasselbe Lied gespielt.
Etwas Warmes strömte über ihre Wange und rann ihr in den Mund. Es schmeckte salzig. Sie waren so glücklich miteinander gewesen, hatten sich so erfüllt und vollkommen gefühlt -
jedenfalls hatte sie das geglaubt. Was hatte Tom bei ihr vermisst, was ihn dazu getrieben, sie zu verlassen und sich einer anderen zuzuwenden? Was hatte er gesucht, das sie ihm nicht hatte geben können?
Aber
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