Expedition Mikro
war auf seiner ersten interozeanischen Expedition verunglückt.
Was wir in diesen Stunden erlebt haben, läßt noch mancherlei erwarten, dachte Gela, und sie spürte, daß die damit verbundene Nervenanspannung früher oder später unliebsame Auswirkungen haben würde. Nur Chris schien davon verschont.
Aber in Gela regte sich auch so etwas wie Widerstand. Er soll sich in mir verrechnet haben! Schließlich habe ich die Lehrgänge genausogut abgeschlossen wie er. Und da war Harold, der mir geholfen hat. Harold steckte diesen Chris zweimal in den Sack…
Täte er das?
Gela nahm unwillkürlich den Kopf zur Seite, als das mannsstarke Bein eines leise surrenden Tieres eine Weile vor dem Kabinenfenster herumbaumelte.
Sie wurde immer ruhiger. Chris stand hinter ihr, bereit, im Falle einer wirklichen Gefahr einzugreifen. Auch Carol Mieh war nach vorn gekommen und sah mit aus der Kanzel.
Nur Charles Ennil nahm von dem Vorgang scheinbar keine Notiz. Er lief behend in der Kabine hin und her und fotografierte wie besessen, um von dieser grotesken Tierwelt soviel wie möglich zu erspähen und festzuhalten.
In Gela war ein leichter Ärger zurückgeblieben. Und zu allem Überfluß, dachte sie, hat Chris, dieser ungehobelte Kerl, noch recht.
In diesem Augenblick bemerkte Karl Nilpach, mit einem Lachen um die Augen und – wie Gela empfand – völlig überflüssig: »Man merkt eben doch, Chris, daß du mal Hochspannungsmonteur warst. So eine Art Seiltänzer auf dem Blitz.«
»Die Tiere sind nicht bösartig«, sagte Chris. »Sie sind viel geschicktere Flieger als unser Hubschrauber und an einem Zusammenstoß doch keineswegs interessiert. Seht – sie reagieren zehnmal schneller als wir es könnten.« Und nach einer kleinen Pause fügte er, an Gela gewandt, hinzu: »Hast du dich überzeugt?«
Gela stieg wortlos aus dem Sessel. Obwohl Chris sachlich geblieben war – vielleicht gerade deshalb –, fühlte sie sich gedemütigt. Sie spürte im Augenblick seine Überlegenheit, und das behagte ihr nicht. Sie sah nicht auf, als sie an Carol vorbei in die Kabine ging.
»Gela!« Carol ergriff ihren Arm und ging einige Schritte mit ihr nach hinten. Gela blieb stehen. »Ob…«, begann Carol, »könnte es unter den vielen Lebewesen nicht doch auch vernunftbegabte geben?«
Gela war ein wenig überrascht. Dann fragte sie: »Von denen da etwa?« Sie wies unbestimmt zur Frontscheibe.
»Nein«, sagte Carol. »Von denen natürlich nicht.« Gelas leichter Spott schien sie nicht zu stören.
»Soll ja«, sagte Gela dann ernsthaft.
»Was wissen wir denn schon?« Carol sprach wie zu sich selbst. »Es ist uns überliefert, daß wir Menschen die einzig vernünftigen Wesen hier sind. Na gut! Weißt du, wie groß unsere Insel ist im Vergleich dazu? – So groß!« Sie schnipste geringschätzig mit den Fingern.
»Also«, sagte Gela lächelnd. »Wir haben festgestellt, die da draußen sind nicht vernünftig, auch wenn sie der Maschine noch so geschickt ausweichen. Andere Spuren haben wir noch nicht gesehen, obwohl ich ebenfalls…«
»Das weiß ich auch!« sagte Carol ein wenig ärgerlich. »Aber im Vergleich zu dieser ist unsere Welt mickrig und, was die Anzahl der Arten anbelangt, mehr als arm. Ich bin eigentlich daraufgekommen, seit ich hier diese ungeheure Vielfalt sehe.«
»Du hast mich unterbrochen«, sagte Gela, und sie strich Carol beruhigend über den Arm. »Ich habe keine Veranlassung, den Berichten der ›Ozean I‹ nicht zu vertrauen.« Mit den letzten Worten blickte Gela herausfordernd auf Chris, der sich bereits vor einer Weile in seinem Sitz umgedreht und den Disput verfolgt hatte.
»Himmelssöhne«, warf er spöttisch ein.
Plötzlich war auch Ennil vorn. »Die Leute von der ›Ozean I‹
haben sie gesehen!« sagte er.
»Als wenn man in Wolkengebilde Figuren hineindeutet – na, viel anders nicht! Ja, die schlechten Aufnahmen kenne ich auch«, wehrte Chris den Widerspruch ab. »Aber wo steht, daß jemand von der ›Ozean I‹ bewiesen hat, daß es dabei um eine Art uns gleichgestellten vernünftigen Lebens geht?«
»Was nimmst du an, was es ist?« fragte Ennil. Chris zuckte mit den Schultern. Karl Nilpach brummte in einem singenden Tonfall dazwischen:
»Fata Morgana…«
»Lassen wir das jetzt«, sagte Chris. »Sehen wir lieber nach draußen.«
Der dunkle Streifen war näher gerückt und entpuppte sich mehr und mehr als ein ausgedehnter Wald riesiger Bäume. Je näher sie kamen, desto unübersichtlicher wurde der
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