Expedition Mikro
ziehen.
»Nein, nein, mach nur«, forderte Res ihn auf. »Ich bin selbst neugierig!«
»Hm«, sagte Marc. »Also beim Menschen. Paß auf: Früher gab es eine Reihe von unheilbaren Krankheiten, die sich, ein Teil davon jedenfalls, auch noch auf die Kinder vererbten. Das ist vorbei. Diese Krankheiten sind ausgemerzt, weil die kleinen Bausteine, die für ihr Entstehen verantwortlich, die irgendwie defekt waren, durch andere, normale, ersetzt werden konnten.
Eine Krankheit hieß Krebs. Hunderttausende sind daran zugrunde gegangen. Sie ist verschwunden. Und wenn sie ja noch einmal auftaucht, stirbt niemand mehr daran.
Das Gehirn des Menschen – vor allem das Gedächtnis – ist leistungsfähiger geworden, weil es heute mehr ausgelastet werden kann als früher…«
»Könnte man da auch etwas machen, daß jemand etwas – vergißt?« fragte Tom, und es war unschwer herauszuhören, daß er mit der Frage eine bestimmte Absicht verfolgte.
»Doch – aber das wäre wieder unvernünftig. Aus jedem Wissen fließt Erfahrung.«
»Wenn aber jemandem Kummer erspart wird, das ist doch vernünftig!« Tom blieb hartnäckig.
»Was sollte jemand vergessen, Tom?« fragte Res mit ironischer Strenge hellhörig.
»Na ja.« Tom druckste. Dann gab er sich gleichsam einen Ruck. »Na ja«, sagte er abermals, »wenn ich einmal angefangen habe. Also, wir haben unlängst Störimpulse in die Lernautomaten gegeben – so etwa…«, und Tom begann entsetzlich zu jaulen.
»Schon gut, schon gut«, rief Res.
»Sie haben den ganzen Tag gebraucht, um den Sender zu finden. Natürlich ist der Unterricht ausgefallen…«
»Aber, aber, Tom!« Marc verbiß sich ein Lachen.
»Frau Fahr hat dann geweint.« Tom schien in Erinnerung an diese Szene ebenfalls traurig zu werden. »Sie sagte, wir hätten sie schwer enttäuscht. Und wir haben auch eingesehen, daß es dumm war. Es wäre doch gut, wenn sie das vergäße…«
»Wenn ihr einseht, daß es dumm war, ist es schon vergessen!« sagte Res. »Weißt du, eine solche Genänderung nimmt man nur vor, wenn für den Menschen eine echte Gefahr besteht, und das entscheidet nicht einer allein. Und, Tom, alles ist auch nicht möglich oder noch nicht, und der Erfolg ist nicht garantiert. Stell dir vor, in welch winzigen Bereichen sich solche Veränderungen – im Grunde genommen Operationen – abspielen müssen… Du wirst davon im Unterricht noch hören, später…«
»Früher«, setzte Marc hinzu, »ganz am Anfang dieser Forschungsarbeiten, gab’s welche, die sich auch Wissenschaftler nannten, die planten, aus Menschen Arbeits- oder Kampftiere zu machen, Menschen mit unmenschlichen Eigenschaften…«
»Ich glaube, es reicht, Marc«, fiel Res ein. »Das soll er lernen, wenn er es begreift, und wenn er es will. Manchmal ist es besser, etwas gar nicht gewußt zu haben. Diese Kenntnisse nämlich sind zu nichts mehr nütze…«
»Weiter, erklär das weiter«, drängte Tom.
»Schluß«, rief Marc, »Mutti hat recht! Wißt ihr, ihr sammelt jetzt ganz große Wegerichstengel, jeder sechs, und ich zeige euch, wie man daraus einen Ausklopfer macht. Los!« Marc gab jedem einen Klaps auf das Hinterteil.
»Ja, ja«, riefen die Kinder und stürzten davon.
»Ich zwei!« schrie Ann.
»Ich habe eben wenig Geschick, mit Kindern umzugehen«, sagte Marc bedauernd.
»Es war hübsch, was du ihnen von den Schmetterlingen gesagt hast, das wirkt nach bei Ann, verlaß dich darauf. Und ich – empfinde da wie du. Gerade junge Menschen vernichten mitunter sinnlos Leben, ohne sich etwas dabei zu denken.
Dabei steckt es wahrhaftig voller Wunder!«
»Auch dein Organismenstrom?«
»Auch der, der erst recht. Manchmal glaube ich, er steht am Beginn eines neuen Zeitalters. Eines ohne Lärm, ohne Müll, ohne jeden Abfall. Stell dir vor, welche Kapazitäten frei werden, die jetzt im Umweltschutz stecken.«
»Ach Res, ich glaube, du träumst!« Marc strich ihr sanft über den Oberarm.
»Warum hast du keine Kinder, Marc?« fragte Res unvermittelt.
Marc schien überrascht. Dann sagte er zögernd: »Das ist schnell berichtet. Im Grunde wollte ich erst viel erleben, es gibt doch auf dem Planeten und in seiner Umgebung viel zu erleben, nicht? Deshalb bin ich doch auch bei deinem Trupp. Ich habe Kinder gern, nur – ich fühlte mich immer zu unreif für Bindungen, verstehst du? Wenn, dann richtig, sage ich immer… Aber wenn ich deine Racker so sehe… Hast du beide geboren?«
»Nur Tom. Ann ist ein modernes Kind.« Res lachte. »Der
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