Expedition Mikro
hatte sie bei solch einem Unternehmen für Erfahrungen? Nun gut, sie hat die Ausbildung.
Aber hier, jetzt? Nach all den nicht gerade erfreulichen Erlebnissen bei den Kontaktversuchen mit den Makros? Der Absturz im Sturm damals vielleicht ein Kinderspiel dagegen. Hier geht es immer auf Leben und Tod.
Wie gelassen sie das gesagt hatte: Da fliegen wir hin… So paßt sie eigentlich gut zu Chris. Er würde auch nicht lange überlegt haben. – Ansonsten machen sie es sich ziemlich schwer, die beiden…
Karl Nilpach warf noch einen Blick aus dem Fenster. Die zwei weißen Berge hatten sich scheinbar nicht verändert. »Na dann«, sagte er. »Ich hol die Heuschrecke her, beobachte du noch solange!«
Wenig später starteten sie. Zunächst wollten sie sich im Tiefflug heranpirschen.
Aber schon als sie den Fuß des Stützpunktbaumes erreicht hatten, schienen die Makros, die von oben eben noch als solche einigermallen zu überschauen gewesen waren, in eine nicht zu überblickende, an den Rändern nebelhafte, helle Wand übergegangen zu sein, die aus dem Grün der Waldwiese aufragte. Je näher sie kamen, desto mehr verschwammen die Konturen, und das Weiß floß scheinbar bis zum Horizont.
»Karl – wir landen auf ihnen«, sagte Gela plötzlich. Sie saß vornübergeneigt im Sitz des Kopiloten, starrte voraus, erregt, mit roten Wangen, und ihre Finger klopften nervös auf die Armaturen. »Wähle einen hohen Punkt aus, eine Stelle in der weißen Fläche, auf der wir auffallen, verstehst du, damit sie uns sehen!«
Karl nickte. Er zog einige Kreise, unten huschte eine stark unterschiedliche Fläche vorbei, im verwaschenen Wechsel zwischen dem Grün des Untergrundes und dem Weiß der Makrohaut.
Zunächst war es ein undefinierbar zerklüftetes Gebiet, bis in der dritten Umrundung Gela rief: »Das könnten die Köpfe sein.
Dort auf keinen Fall landen, Karl. Dort könnten sie es übelnehmen, denk an Chris’ Abenteuer neulich! Wir brauchen einen Mindestabstand von ihren Augen!« Gela hatte die Linke auf Karls Arm gelegt. Sie zitterte vor Erregung. Dann sah sie ihn einen Augenblick an. »Sei vorsichtig, Karl«, sagte sie leise.
Karl Nilpach veränderte den Radius des Kreises. Er flog eine rasante Kurve, der Untergrund geriet aus den Gesichtsfeld, sie verloren beide einen Augenblick die Orientierung, und dann lag eine Art Plateau vor ihnen, weiß, mit glänzenden Tupfen.
Es entstand der Eindruck, als neige sich die Fläche nach allen Seiten, als sei es ein regelmäßiger, großer, flacher Hügel, eine Kugelkappe. In mittlerer Entfernung stand ein Kegel, von einem stark zerklüfteten, in der Urform an einen Zylinder erinnernden Aufwuchs gekrönt. Dort war der Untergrund auch deutlich bräunlich gefärbt, es gab eine verhältnismäßig scharfe Begrenzung zwischen dem Weiß und diesem Braun.
Gela kam ein, wie sie zunächst meinte, absurder Gedanke.
Sie warf einen Seitenblick auf Karl Nilpach. Der hatte jedoch mit der Steuerung zu tun. »Lande hier«, sagte Gela. Sie lächelte.
Je tiefer sie kamen, desto mehr löste sich die Fläche unter ihnen in Einzelheiten auf. Es wurden feine Gräben und Vertiefungen sichtbar, die ein bizarres Mosaik bildeten, ab und an schimmerten matte Bänder, bläulich, wirr lagen durchscheinende Plättchen in größeren Abständen, und funkelnde Wasserkügelchen standen da und dort.
Karl Nilpach steuerte geschickt auf eine leichtgewölbte Fläche zu. Er setzte sacht auf. Der Rotor stand.
Eine Ruhe fiel plötzlich über Gela und Karl her, die das Unheimliche der Situation heraufbeschwor.
Sie saßen und warteten.
Gela fühlte mit einem Mal schier körperlich, wie es sich über ihnen zusammenballte, wie mit einem Schlag, sicherlich einem leichten, Hubschrauber und Insassen hinweggefegt oder zermalmt werden konnten. Sie wischte über die Stirn, wischte den Alptraum hinweg. »Merkst du?« fragte Karl plötzlich lauschend.
Und da spürte es Gela auch: Ein rhythmisches dumpfes Dröhnen, dem jedesmal ein leichtes Beben folgte.
Gela fühlte, wie ihr Schweiß ausbrach. Dann atmete sie tief aus und rief erleichtert: »Der Puls, Karl, ja, der Puls…« Sie horchte. »Wie ruhig er geht. Die Makro schläft vielleicht, schade!«
Nach einer Weile fragte Karl: »Wieso ›die‹?«
Gela lächelte. »Wieso nicht?« fragte sie ein wenig spöttisch.
»Die Wahrscheinlichkeit dürfte etwa fünfzig zu fünfzig sein, hm?«
Karl zwinkerte ihr zu. »Na, von ungefähr sagst du das nicht!«
Gela war ernst geworden.
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