Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Metern Tiefe tauchen, ohne unten in der ewigen Finsternis mit dem Kopf auf Grund zu stoßen; er besaß ein eingebautes Radargerät - vor den Menschen.
»Juri, du bist doch Atheist. Kann in allem, was dort oben blinkt, System sein, wenn der Mensch noch nicht dort gewesen ist?«
»Ich bin kein richtiger Atheist; ich glaube nur nicht an all die Taschenspielertricks der Kirche.«
»Darwin gibt der Kirche zumindest darin recht, daß Sonne und Mond, Fische, Vögel und Affen zuerst da waren. Als die Menschen endlich dazukamen, war alles klipp und klar, jetzt wollen wir nur noch darauf kommen, wie wir selbst und das Universum zusammengesetzt sind.«
Es war herrlich, völlig entspannt in angenehmer Gesellschaft mit dem friedlichen Meer dazuliegen und nur auf ebendieselbe Erscheinung zu starren, die Seefahrer und Wüstenwanderer seit Tausenden von Jahren vor uns betrachtet hatten. Moderne Großstadtmenschen, von der Straßenbeleuchtung geblendet, haben den Sternenhimmel aus den Augen verloren. Die Astronauten versuchen ihn wiederzufinden. Ich döste. Wir beschlossen, alle, außer der Wache, ins Bett zu gehen. Schwere Tage lagen hinter uns, und wir wußten nicht, was uns bevorstand. Es war kein Spaß, wenn wieder ein Unwetter aufzog. Der Achtersteven hing völlig unten, und als Wellenkaskaden vom Achterdeck den Männern, die mit dem Kopf an der Rückwand schliefen, in den Nacken stürzten, hatten wir an der hinteren Schmalwand und der Längsseite der Hütte steuerbord Segeltuch gespannt. Ich dachte mit gemischten Gefühlen an die wichtigsten Eindrücke der letzten Tage, ehe wir in friedliche Dünung gekommen waren.
Nachdem wir vor den Kapverdischen Inseln unserer beiden Steuerruder beraubt worden waren, hatten Juri und Georges in nächtlicher Dunkelheit eine provisorische Methode erfunden, bei der jeweils zwei Wachen durch einfaches Ziehen an den Schoten des Segels leidlich steuern konnten. Es kam ja nur darauf an, das Achterende im Wind zu halten, so daß das Segel gebläht wurde und nicht flatterte und gegen die Masten schlug. In den ersten Nächten nach den Kapverdischen Inseln waren wir von gewaltigen Wellen heimgesucht worden, die mit Donnergetöse gegen die hintere Hüttenwand über das Segeltuch prasselten, ehe sie zu beiden Seiten von der Ra stürzten. Dieser ständige Lärm am Kopfende erschwerte schon das Einschlafen, und wenn wir eingeschlafen waren, wurden wir gleich wieder geweckt, um in die Dunkelheit hinauszukriechen und uns mit dem acht Meter großen Riesensegel herumzuschlagen, das sich drehte. Wellen und Segeltuch. Wir wurden wie Puppen auf die Krüge geworfen und taumelten wie angeschlagene Boxer von Hüttenwand und Reeps zum äußersten Dollbord. Über Rücken und Gesicht lief Salzwasser. Wieder in den Schlafsack - wieder hinaus. Auf Deck vierzehn fliegende Fische zum zweiten Frühstück. Sieben Makrelen in einer Stunde geangelt. Wahnsinn, Georges! Abdullah schafft nicht alle. Laß sie hinterherschwimmen, dann sind sie immer frisch, wenn wir sie brauchen. Zwei verschwanden in dem Teich achtern, eine schwamm unter der Brücke herum, und eine versteckte sich unter dem Gleitblock. Nach heftigem Kampf wurden sie mit den Händen gefangen. Der Fisch war ein einziges, ungemein kräftiges, schlüpfriges Muskelbündel. Eine Hand um die schmale Schwanzwurzel und eine in die Kiemen gesteckt - und dann ging der zappelnde große Fisch nicht mit den Wasserkaskaden über Bord. Da riß sich der Querbalken los, auf dem die Brückenpfähle standen. Es knackte, die ganze Brücke gab nach. Tau, Tau! Wasser über den Kopf. Phantastisch, Männer! Jetzt hält es. Fühlst du dich nun wohl, Carlo? Genau wie in den Alpen. Du kannst hier jetzt nicht schlafen, Georges. Wir werden dich ins Bett tragen. Verdammt, wie die Arme schmerzen! Habe ich geschlafen? Nicht ganz. Sind wir noch auf der Ra} Gewiß, der Papyrus knarrt. Aber draußen leuchten Sterne, wir sind richtig auf dem Meer.
Es war schwierig, diese ersten Tage nach Cap Vert auseinanderzuhalten, die Zeit war nicht mehr zu trennen. Aber im Tagebuch stand dann, der 20. Juni sei bisher der härteste Tag gewesen. Am 21. Juni wurde eingetragen, die Nacht sei die schwerste gewesen, die wir erlebt hatten, und der Tag war auch nicht besser. Aber ohne Segel und Steuerruder und mit einem Treibanker, der im Schlepp hing und bremste, konnten wir trotz allem eine Tagesleistung von 31 Seemeilen, 57 Kilometern, in Richtung Amerika notieren - die niedrigste der ganzen Reise. Am 22. Juni
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