Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Bord springen und ihre langen gelben Locken zwischen Rochen und Meeresfischen in den Wellen schwimmen. Während einige der hellhäutigen Männer hilflos an ihren blonden Haaren davongezogen werden, haben andere ihre ganze Habe zusammengepackt und gehen ruhig mit großen Bündeln auf den Rücken über den Strand.
Welche Legende oder geschichtliche Episode versuchten die Maya - Jahrhunderte bevor die Spanier an Land gingen - auf diese Weise in einer ihrer allerwichtigsten Pyramiden zu verewigen? Niemand weiß es. Die drei amerikanischen Archäologen, welche die Wandmalereien kopierten, schrieben nüchtern, daß die Tempelbildnisse hellhäutiger Männer mit blonden Haaren »zu vielen interessanten Spekulationen Anlaß geben, wenn es ihre Identität festzustellen gilt«.
Wir dachten an Bord der Ra wohl mehr als die meisten anderen darüber nach, da uns die Elemente täglich wie auf einer automatischen Rolltreppe in Richtung des Golfs von Mexiko beförderten, ohne daß wir nachhelfen oder rudern mußten. Wir hatten nicht die Illusion, daß wir es an seemännischer Tüchtigkeit mit den erfahrenen Navigatoren des Altertums aufnehmen konnten. Norman war unser einziger Seemann, aber er hatte noch nie ein Papyrusboot gesehen. Das hatte Abdullah wohl, aber der kannte zunächst das Meer überhaupt nicht. Wir hätten es nie geschafft, ein Papyrusboot in den unsteten Fahrwassern um Ceylon zu steuern. Wir hätten es auch nicht geschafft, mit phönizischen Fahrzeugen zu segeln, die •zwischen Kleinasien und Rio de Oro verkehrten. Diese Fahrt ist schon in einer Richtung viel länger als die Entfernung von Rio de Oro nach Südamerika. Aber wir konnten es den Seefahrern des Altertums gleich tun, die an der afrikanischen Küste vom Sturm überfallen worden waren und die Steuerfähigkeit verloren hatten.
Regenwolken hingen rings um uns am Horizont, und in gleichmäßigen Abständen prasselten Schauer nieder und wuschen uns und das Deck, so daß der Papyrus naß und schwer wurde und das Wasser auf dem Achterdeck langsam über den schmalen Deckstreifen auf der Windseite der Hütte noch weiter nach vorn kroch, wo wir schon längst alle Ladung entfernt hatten. Dort, wo der Steuerbord-Mastfuß eine Vertiefung in die Papyrusbündel gedrückt hatte, stand nun Meerwasser. In Lee dagegen mußten wir immer noch auf dem Bauch über die Schilfrolle hängen, um die vorbeiziehenden Wellenrücken zu erreichen.
Wir befanden uns nun so nah an der südamerikanischen Festlandküste, daß uns die ersten Seevögel von der anderen Seite besuchten. Schöne Tropic-birds mit langen Schwanzfedern im Schlepp flogen über den Mast. Ein Hai holte uns wieder von hinten ein und startete einen wilden Angriff auf unsere Schwimmweste, die wir an einem Tau im Schlepp zogen. Die Männer, die noch nie einen Hai gesehen hatten, erschraken heftig, als Carlo brüllte, etwas kämpfe mit der Schwimmweste; kurz danach kam ein zwei Meter langer riesiger Kerl, die Rückenfinne über der Wasseroberfläche, majestätisch angeschwommen. Er bewegte sich mit der Dünung auf und ab. Als er die Ra erreichte, wurde er wieder wild, wälzte sich mit dem hellen Bauch nach oben, schlug rasend mit dem Schwanz, sperrte den Rachen auf und ging auf die Unterseite der Papyrusrollen los. Ob er von den langen, wohlschmeckenden Entenmuscheln fraß? Was er auch fraß, die Taue waren in ernsthafter Gefahr. Durch die Erfahrung mit dem flachen Kon-Tiki-Floß gewarnt, lehnte ich mich über die Reling und griff nach der rauhen Schwanzflosse, die sich wie Sandpapier anfaßte. Da entdeckte ich eine offene Wunde auf seinem Rücken und zwei große Lotsenfische, die sich dicht darüber hielten. Zweimal hätte ich ihn fast gepackt, aber die Leeseite lag noch so hoch, daß ich ohne besseren Halt über Bord gegangen wäre. Da rannte der Riese Georges seine Harpune in den Haikörper. Einen Augenblick lang kämpfte die Bestie mit ihren stählernen Muskelbündeln, daß das Wasser um den Schwanz schäumte, dann stand Georges mit seiner kräftigen Harpunenleine da - die Bestie hatte sie durchgebissen. Der Hai verschwand mit Georges' letzter Harpune in der Tiefe.
Wieder schliefen wir mit friedlichen Gedanken an die ungelösten Mysterien des Altertums ein. Norman war in dem Glauben aufgewachsen, Amerika sei eine Welt für sich gewesen, bis seine Ahnen aus Europa herüberkamen und Wissen und Kultur mitgebracht hatten. Die Politiker glaubten das, und die meisten nüchternen Lehrbücher waren von Isolationisten
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