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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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getroffen hatte. Carlo entschuldigte sich für das Essen, denn die Gischt spülte ständig in die Küchenkiste und löschte das Feuer. Ein großer Korb von der Ra mit unbekanntem Inhalt wurde bei Sonnenuntergang beobachtet, wie er hinter uns auf den Wellenkämmen auf und ab tanzte. Ehe die Nacht hereinbrach, inspizierten wir die angenähte Papyrusrolle, die steuerbord von der Hütte fast die ganze Breite der Ra einnahm. Sie schwankte bedrohlich an den dünnen Tauen, mit denen wir sie festgenäht hatten, und war so dünn geworden und durchweicht, daß wir bis zur Hüfte im Wasser waten mußten, um auf dieser Seite an der Hütte vorbeizukommen. Dann brach wieder die Nacht herein. Als letztes sah ich Abdullahs weiße Augen in der Ecke neben der Türöffnung, sie wanderten im Gebet zu Allah auf und ab, während es scheuerte und ächzte und überall Wasser strömte. Norman hatte über Funk erfahren, daß uns vielleicht in vier bis fünf Tagen das Boot erreichen würde, das meine Frau Yvonne chartern wollte.
    Am 10. Juli erwachten wir bei Sonnenaufgang recht müde, weil die beiden Kisten, auf denen jeder von uns schlief, die ganze Nacht wild und ungleichmäßig geschaukelt hatten und umhergerollt waren. Norman konnte auf seinen schwankenden Kisten nicht die Balance halten und hatte deswegen quer über unseren Beinen gelegen. Unser erster Gedanke war, die vier dicken Taue anzuziehen, die wir gestern um das ganze Boot herum befestigt hatten; an den Fußpunkten der Masten wurde noch ein Reep angebracht, damit sie zusammenblieben. Den ganzen Tag nähten wir uns mit der langen Ahle, die von oben nach unten durch den Papyrus gesteckt wurde, selbst zusammen.
    An diesem Tag erhielt Norman die Meldung, man erwarte zwei Fotografen auf Martinique, und eine kleine Motorjacht namens Shanandoah sei unterwegs, um sie dort abzuholen. Das italienische Fernsehen hatte indessen gemeldet, wir hätten einen Seeschaden erlitten und wären ins Rettungsboot umgestiegen. Mit Galgenhumor dachten wir daran, wie wir das Rettungsboot zersägt hatten. Keiner vermißte es. Keiner wollte umsteigen. Wir hatten noch reichlich Papyrus, um darauf zu schwimmen. Während die schlimmsten Wellen über uns hereinbrachen und Carlos Gebrüll verkündete, daß seine besten Kasserollen über Bord gingen, tauchte Georges plötzlich mit einem triefenden roten Gegenstand auf, den er aus den Wellen gefischt hatte.
    »Brauchen wir das, oder kann ich es wegwerfen?«
    Es war ein kleiner Feuerlöscher aus der Zeit, da das Rauchen auf Steuerbord verboten war. Lachsalven folgten dem Gerät, selbst Safî hing im Maststag und starrte auf den Feuerlöscher, der in die Tiefe verschwand; sie fletschte die Zähne und stieß Kehllaute aus, um zu zeigen, daß sie den Spaß auch verstand.
    Am 11. Juli beruhigte sich das Meer allmählich, aber sogar die gemächliche Dünung spülte von achtern weit nach vorn und über Steuerbord. Auf meiner Abendwache sah ich zum ersten Mal seit langer Zeit wieder mehrere Sterne, darunter den Polarstern, und ich stellte mit dem Nasometer rasch fest, daß wir uns 15° N befanden.
    Mitten in der Nacht brachen einige gewaltige Wellen über Steuerbord und schlugen so heftig direkt durch das Flechtwerk der Hütte, daß die eine Kiste, auf der Norman bis jetzt geschlafen hatte, zu Kleinholz zersplitterte. Die Kiste war längst leer, und in dem brodelnden Seewasser der Hütte schwammen nur noch gebrochene Kistenbretter umher. Die Ra gab auf der Seite, an der die Papyrusrolle festgenäht war, einige neue, unheimliche Laute von sich, und keiner hörte Safîs Notschreie, als ihr Schlafkoffer von der nächsten Welle von der Wand gespült wurde. Sie war eingeschlossen und schwamm mit zersplitterten Kistenbrettern um die Wette, bis sie sich auf unerklärliche Weise selbst rettete; es gelang ihr, den Deckel aufzumachen. Santiago erwachte, als sie pudelnaß an seiner Wange saß und laut keifend forderte, in den warmen Schlafsack gelassen zu werden.
    Am 12. Juli besuchten uns erneut Vögel von der Küste. Über Funk erfuhren wir, daß die Jacht, die uns entgegenkommen sollte, Verspätung habe, weil zwei Männer der Besatzung abgesprungen waren, als man in Martinique die Fotografen abholen wollte. Die Überraschung des Tages war ein wahrhaftiges Wrack, das im Süden am Horizont auftauchte und uns im Zickzack entgegenkam. Zuerst glaubten wir an Abenteurer auf einem selbstgebauten Boot, aber dann sahen wir, daß es ein uraltes geflicktes Fischerboot voll chinesischer

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