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Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit

Titel: Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thor Heyerdahl
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ich hörte sie jedesmal, wenn ich mich im Halbschlaf umdrehte. Sie saßen um kleine Gluthaufen herum und argumentierten und krochen erst in die Betten, als die Sterne verblaßten, eine Stunde, bevor wir alle aufstanden.
    Noch ehe sich die Sonne in den Kaktuskronen rötete, saßen wir vier inmitten der Indianer und sahen auf das Meer. Niemand sprach. Wir saßen und schauten. Langsam erhob sich Chuchu und schlenderte zu dem stillen Strand hinunter, wo er ein kleines Wurfgarn ins Wasser schleuderte. Mit zwei Würfen zog er direkt vor unserer Nase vier kräftige Fische heraus. Zwei winzige Kerlchen mit dreikantigen Wurfspeeren verdoppelten den Fang im Nu. Damit war genug zum Essen da. Alle saßen. Es sah nicht so aus, als würde an diesem Tag mehr geschehen.
    »Wollt ihr für mich einen Askam bauen?« fragte ich vorsichtig.
    »Mucho trabajo« , antworteten sie beinahe im Chor. »Viel Arbeit.« Das war ungefähr ihr ganzer spanischer Wortschatz, für alles andere brauchten sie einen Dolmetscher. Chuchu vermittelte.
    »Ihr werdet dafür bezahlt«, versprach ich. »In Waren oder Pesos.«
    »Mucho trabajo« , wiederholten sie nur.
    Das Angebot wurde erhöht. Sie schwiegen. Noch einmal wurde das Angebot erhöht.
    »Bis zum Schilf ist es weit«, sagte Chuchu zögernd.
    »Wir kommen mit«, antwortete ich und stand auf.
    Vier Indianer standen auf, bereit mitzukommen. Chuchu mit zwei Brüdern und einem Neffen. Nur Caitano, der älteste Bruder, wußte, wo das Schilf wächst. Es steht an einem See auf der Isla Tiburon, der Haiinsel, von der wir eben die gratigen Konturen im Sonnenaufgang auf der anderen Seite des Sunds erblicken konnten.
    Der Außenbordmotor der Regierung war uns nützlich. Bald bahnten wir uns den Weg durch die kleinen Wellen zum fernen Horizont. Ich war erstaunt, daß kein Schilf in der Nähe zu finden war.
    »Es ist Süßwasserschilf«, erklärte Caitano. »Es wächst nicht am Meeresufer längs der Wüste. Der Weg ist weit bis zum Süßwassersee.«
    Die Haiinsel erhebt sich mit wilden Bergen aus dem Meer. Sie ist kein Inselchen; mit einer Fläche von über 1.000 Quadratkilometern ist sie auf der Weltkarte verzeichnet. Als wir auf dem weißen Sandstrand an Land gingen, lag eine weite, mit niedrigem Staudengewächs und vereinzelten Kaktusbäumen bewachsene Ebene zwischen uns und den sich rötenden Bergen im Binnenland. Ein einsamer Berrendohirsch, den Nacken hoch erhoben und mit einem mächtigen, gezackten Geweih, stand unbeweglich am Strand und betrachtete uns. Lautlos holten wir die Kameras hervor, damit das Tier verewigt werden konnte, ehe es sich davonmachte. Es stand immer noch unbeweglich dort, und wir schlichen uns näher. Näher. Ich ging voran und war mit im Bild. Es kam darauf an, vorsichtig zu sein. Jetzt endlich begann der Hirsch sich zu bewegen. Er marschierte stolz und zielbewußt vorwärts, beugte den Nacken und stieß den Schädel freundlich, aber bestimmt gegen meinen Magen und schob sein Geweih unter meine Achselhöhlen. Vergebens versuchte ich den Hirsch von mir zu stoßen, damit wir eine vernünftige Aufnahme machen konnten, aber nein, er wollte so verewigt werden, und so sehr ich auch schubste und so sehr ich auch stieß, so sehr ich auch versuchte, mich aus der demütigenden Lage zu befreien, war doch alles umsonst, der freundlich gesinnte Hirsch folgte mir einfach, bald vorwärts, bald rückwärts, nahe genug, um mich mit dem Geweih festzuhalten, ohne zu stoßen und ohne mir etwas anzutun. Es war eine lächerliche Situation, das unerwartete Ergebnis einer Kamerajagd. Erst als ich den Hirsch am Hals und hinterm Ohr kraulte, war er so verblüfft, daß er den Kopf zurückzog, einfach stehenblieb und mit großen Augen glotzte, während ich mich langsam rückwärts zu der zweibeinigen Gesellschaft begab, mit der ich an Land gekommen war.
    Wir zogen das Boot ein gutes Stück aufs Ufer und begannen unsere Wanderung in die Ebene. Ich erwartete, jeden Augenblick den schilfumwachsenen Binnensee zu erblicken. Aber nein, hier, wo wir uns durch ein Labyrinth von niedrigen immergrünen Pflanzen, Dornengestrüpp und vereinzelten Kakteen schlängeln mußten, gab es nur trockenen Sand. Kein Pfad. Keine andere Spur als die von Hirsch, Hase, Eidechse, Schlange und Gewürm. Auf der Haiinsel wohnten keine Menschen, seitdem die letzten Seris-Indianer in Caitanos Jugend auf das Festland umgesiedelt wurden. Wir marschierten und marschierten, gingen nach rechts, nach links, geradeaus, je nachdem, wo sich in der

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