Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
zusammen, während er sich bemühte, den eingesunkenen, spitzen Bug wieder zu einem eleganten Bogen zu krümmen. Wir hatten Glück. Der Abfallhaufen hatte uns genau das verschafft, was uns bewogen hatte herzukommen.
Nun wurde das letzte Schilfboot der Seris-Indianer, und damit vielleicht ganz Mexikos, ins Wasser getragen, und Caitano und sein Sohn kamen gelaufen und sprangen an Bord. Sie setzten sich mit einem Paar alter Paddeln und einem langen Holzspeer mit Laufleine zurecht. Paddeln konnten sie, und bald sahen wir die braunen Rücken mit den schwarzen Zöpfen seewärts über die kleinen Wellen auf dem langen, schlanken Schilfboot verschwinden. Als sie zurückkamen, lag eine große Seeschildkröte zwischen ihnen auf dem Schilfdeck und ruderte mit den Schwimmfüßen. Das trockene alte Schilf hatte viel Wasser gezogen, aber es schwamm.
Hier war Mexiko. Wo hatten die Stammväter der Seris-Indianer diese eigentümliche Bootsbaukunst erlernt? Von einem ihrer vielen Nachbarstämme. Einst wurden überall Schilfboote gebaut, vom Inkareich im Süden bis Kalifornien im Norden und außerdem auf den Binnenseen Mexikos. Noch zu Beginn des vorigen Jahrhunderts malte der französische Maler L. Choris drei Indianer, die vor der bewaldeten Küste am Hafen von San Francisco in einem Schilfboot saßen und paddelten. In Mexiko selbst sind in acht verschiedenen Teilstaaten Schilfboote beobachtet worden.
Wehmütig sah ich, wie Caitanos zappelnder Fang zu der Schildkrötengrube getragen wurde, während das leblose Wrack des letzten Askam des Seris-Volkes für immer auf den Abfallhaufen hinter der Hütte des Alten geworfen wurde. Dort lag es wie ein Schlußpunkt unter dem letzten Kapitel eines ungeschriebenen Buches über die für immer vergessene Geschichte des Schilfbootes in den zentralen Teilen Amerikas.
Abbildung 6a: IM KAIROER Museum studierte der Verfasser die ältesten Schilfbootmodelle der Welt aus ägyptischen Mumiengräbern .
Abbildung 6b: ÄGYPTISCHE GRABRELIEFS zeigen, daß die Sitte, Papyrusschilf für den Bootsbau zu sammeln, bis zu den ersten Anfängen der Kultur zurückreicht .
Abbildung 7a: DIE BOOTSBAUER IM ÄGYPTEN DES ALTERTUMS banden das Papyrusschilf mit soliden Hanftauen zusammen. Einige Männer waren schwarzhaarig, andere blond .
Abbildung 7b: SEESCHLACHT AUF DEM NIL Die Papyrusboote hatten Käfige mit Enten, Körbe mit Eßwaren und Krüge mit Getränken geladen .
Abbildung 8a: DEM PHARAO UND SEINER GEMAHLIN wird an Bord eines Papyrusbootes von einem fürstlichen Mundschenk aufgewartet, während ein gewöhnlicher Seemann, in natürlicher Große (im Verhältnis zum Boot) wiedergegeben, das Boot mit einem doppelten Steuerruder auf Kurs hält ,
Abbildung 8b: VIEHTRANSPORT AUF DEM NIL. Das aufgerollte Papyruszelt des Hirten als Wirkungsvoller Schwimmgürtel .
Abbildung 9: DIE SEGELKUNST hatte vor fast 5.000 Jahren in Ägypten eine verblüffende Perfektion erreicht. Man benutzte Schrägmaste mit Leitersprossen .
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Unter Beduinen und Budumas
im Herzen Afrikas.
Auf der Suche nach Bootsbauern
in der Negerrepublik Tschad
A FRIKA . K EIN ANDERER K ONTINENT TRÄGT EINEN SO MALERISCHEN N AMEN . Wenn man das Wort hört, sieht man das Land vor sich. Eine grüne Urwaldmauer mit tropischen Riesenblättem, die zur Seite gebogen werden, und eine Negerkarawane, Lasten auf dem Kopf, kommt hervor und läuft hochaufgerichtet direkt in die Kameralinse. Giraffen und Paviane ziehen in langen Sprüngen über die Leinwand. Tamtam. Löwengebrüll. Ich war zuvor noch nie im Innern Afrikas gewesen, hatte es nur durch das Fenster im dunklen Kinosaal oder zwischen Buchdeckel gepreßt gesehen.
Aber jetzt saß ich dort. Mitten im Innern Afrikas. Direkt im Herzen von Zentralafrika. In einem kleinen Hotelzimmer in Fort-Lamy, der Hauptstadt der Negerrepublik Tschad. Ich hätte mich nicht weiter vom Meer entfernen können. Und das war etwas paradox, denn mein Besuch war die erste Etappe einer geplanten Fahrt mit dem Schilfboot über den Atlantik. Das einzige Gewässer in der Nähe war ein Fluß. Ich sah ihn durch das Fenster. Grüne Landschaft, rote Lehmbänke, braunes Dschungelwasser. Die Sonne spielte in diesen Farben. Eine Schar nasser Fischer, deren Haut wie Lackschuhe glänzte, kniete auf einer Lehmbank und zog an einem Netz. Sie hatten Fischfallen aus dichten Bambusstäben in den Flußgrund gesteckt. Gestern hatte ich weiter oben im Fluß, auf einer anderen Bank, sieben träge Flußpferde gesehen. In der Nähe der Hauptstadt
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