Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
im wildesten Striptease zur Erde, während sich der zappelnde Kameramann mit beiden Händen an das blanke Hinterteil faßte.
»Wespen«, brüllte er, »Wespen in der Hose!«
Es war nicht ganz leicht, ihm unseren traurigen Abgang von Daga Stefano zu verzeihen, wenn er auch Qualen litt und nicht sitzen konnte, als wir wieder im Boot waren. Als ich mich zur Treppe umdrehte, waren nur noch wenige Mönche da, von denen wir uns hätten verabschieden können, aber die Übriggebliebenen bedankten sich freundlich für einen kleinen Betrag, den wir aus Dank für die Hilfsbereitschaft und als Ablaß für den Kameramann spendeten.
Der Besuch bei den Mönchen hatte uns insgesamt den unangenehmen Eindruck vermittelt, für sie wäre es das Wichtigste, ein Papyrusboot so klein zu bauen, daß man es zum Trocknen bequem an Land ziehen kann. Diese Methode war für den Atlantik höchst ungeeignet. Um sie bequem an Land ziehen zu können, werden alle größeren Schilfboote am Tanasee faktisch in zwei TeiJen gebaut, die man einzeln aufs Trockene tragen kann; eine dünne, bogenförmige Schale mit hoch gezogenem Bug und Achtersteven und in diesem Rumpf eine Art dicke, zusammengebundene Papyrusmatratze, die in den Hohlraum hineinpaßt. Die Boote am Tschadsee waren viel robuster. Die Mönche am Tanasee legten es darauf an, die Schilfboote leicht zu machen, ohne die uralte Form zu verändern, wahrend die Budumas am Tschadsee vor allem auf eine kompakte, solide Bauweise achteten.
Auf dem Weg zum anderen Ufer kamen wir an einigen seichten Flußinseln vorbei, wo es von Flußpferden wimmelte, die ins Wasser wateten, verschwanden und rings um uns wieder auftauchten. Die Bootsmannschaft versicherte uns, daß die Tiere Papyrusboote haßten und sie bei jeder Gelegenheit umstürzten, denn seit grauer Vorzeit seien die Flußpferde von solchen Booten aus harpuniert worden. Das hörten wir immer wieder, sowohl Im Tschad als auch in Äthiopien. Wir schoben unser Papyrusboot leer ins Wasser, aber die Flußpferde streckten nur den Kopf neugierig auf allen Seiten heraus, prusteten, schnaubten und glotzten interessiert.
An der Süd Westseite des Sees erhebt sich die Küste kaum über den Wasserspiegel, und hier fanden wir die großen Papyrussümpfe. Die Bootsmannschaft erzählte, Räuber würden diese Gegend unsicher machen. Manche nennen sie Freiheitskämpfer, sagte Ali, der »Skipper« des Motorboots. In Wirklichkeit seien sie nur gewöhnliche Räuber, erklärte er, die einen in Frieden lassen, wenn man nur bezahlt. Einer der Schlimmsten, der 55 Jahre lang am See gewütet und 49 Menschen getötet hatte, war gerade von den Behörden erschossen worden, erzählten die Männer. Sie selbst hatten nie Schwierigkeiten, denn Ali entrichtete Tribut.
Inmitten der endlosen Sumpfflächen sahen wir ein trübes Rinnsal zwischen den Papyrusstengeln hervorsickern und wie einen breiten rotbraunen Streifen durch den See ziehen. Hier endet ein kleiner Fluß, dessen Mündung im dichten Schilf versteckt liegt. Weil er sich in den Tanasee ergießt, die Quelle des Blauen Nils, trägt er den Namen Kleiner Nil, Vielerlei große Sumpfvögel saßen unbeweglich im hohen Schilf. Gewöhnlich ist der Kleine Nil so seicht, daß man ihn nur einige hundert Meter mit dem Motorboot befahren kann, aber jetzt stand das Wasser ungewöhnlich hoch, so daß wir den schmalen roten Fluß drei Kilometer bis zu einem Dorf aus runden strohbedeckten Hütten hinauffuhren. Hier wohnte der Abaydar-Stamm. Männer und Frauen stellten sich in dichten Reihen am Ufer entlang auf, um das Metallboot anzustarren. Ali erklärte, es gebe nur dieses und ein zweites, noch größeres Metallboot auf dem Tanasee. Beide gehörten seinem Boß, und keines von beiden hatte bisher den Weg flußaufwärts gemacht. Mehrere kleine Papyrusboote wurden von Hüttenwänden heruntergehoben und teils zu uns herausgepaddelt, teils herausgestakt. Die kleinsten waren nur Schwimmer in der Form eines dicken Stoßzahns, und wir erfuhren, daß sie Koba heißen. Sie werden genauso gemacht und benutzt wie am Tschadsee, in Peru und auf der Osterinsel. Ein etwas größeres Modell, in dem eine Person sitzen kann, heißt Marotscha , während der gewöhnlich zweiteilige Typ, der zwei oder mehr Paddler faßt, Tanqua heißt. Der größte Tanqua , den wir sahen, hatte neun Mann an Bord, aber wir erfuhren, daß viele sogar bis zu zwei und drei Tonnen Korn über den Tanasee beförderten. Es kam vor, daß ein Tanqua im Wind abtrieb und über eine
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