Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
Woche draußen lag, ehe die Mannschaft mit dem Korn, das dann zu keimen begonnen hatte, wieder das Ufer erreichte. Das Abaydar-Volk glaubt, wie die Mönche, ein Tanqua würde sich nach zwei Wochen vollgesogen und in den Wellen aufgelöst haben. Der hohle Rumpf des Tanqua ist so dünn, daß sich das Boot der Länge nach auf den kleinen Wellen wie ein Wurm windet.
Der Verdacht war bestätigt: Selbst wenn die Form des Tanqua vom Tanasee stark an die Boote des alten Ägypten erinnert, fehlt ihm jedoch die kompakte Stärke, die den Kaday vom Tschadsee kennzeichnet. Darum hieß die Lösung: den Papyrus vom Tanasee holen, die Bootsbauer aus dem Tschad und die Wandmalereien des alten Ägypten als Modell für die geplante Rekonstruktion des altertümlichen Bootes benutzen.
Unweit des Dorfes war es völlig menschenleer. Ich war als einziger auf dem Sumpfrand an Land gegangen, als sich plötzlich ein ungewöhnlich stattlicher Äthiopier im Schilfdickicht aufrichtete. Er war in einen ärmellosen Überwurf gehüllt, einen langen Speer trug er wie eine Angel über der Schulter. Mit seiner stolzen Haltung, spitzem schwarzem Bart und scharfem Profil erinnerte er mich sehr an Kaiser Haile Selassie, und als sich zeigte, daß sein kleiner Sohn ebenso malerisch war - wie er mit einem geflochtenen Fischkorb an einem Stock über den Rücken aus dem Schilf hervorgetrollt kam -, postierte ich die beiden freundlich als Vordergrund für eine lange Serie Papyrusaufnahmen, die der Kameramann machte. Als ich dem Mann zum Dank eine Münze zusteckte und wieder an Bord springen wollte, lächelte er hintergründig nachsichtig und bedeutete mir höflich, daß er mitfahren wolle. So wurden das Fotomodel) und sein Sohn Teilnehmer unserer kleinen Expedition flußabwärts in die endlosen Schilfsümpfe zum See zu. Hier bedankten sich beide artig und wollten an Land gehen. Aber Ali war nervös geworden und bewog mich dazu, aus der Gesäßtasche Geld zu ziehen, wovon er sich unbefangen einen größeren Schein - soviel betrug hier ein Wochenlohn - herauspickte und dem bärtigen Mann zusteckte, der bescheiden lächelte und sich elegant verbeugte, ehe er mit seinem Sohn ebenso spurlos im Schilf verschwand, wie sie beide aufgetaucht waren.
»Das ist der größte Räuber an diesem Ufer«, erklärte Ali erleichtert, »ich gebe ihm immer etwas, dann ist er ganz verträglich.«
In dieser Nacht stürzte ein wahrer Wolkenbruch herab. Wir banden das Boot an einem Baum am Ufer fest, drehten unseren kleinen Papyrus- Tanqia auf den Kopf und benutzten ihn als Dach. Die Donnerschläge dröhnten, wie sie nur dröhnen, wenn Wolken tief über offenem Wasser treiben, und der gewaltige Knall und der blendende Schein der Blitze verrieten, daß das Gewitter direkt über uns stand. Der Blitz schlug in den See und in den Waldrand ein. Ein Grollen und ein Lichtmeer zugleich. Wir spürten den Druck, und dicht neben der Vertäuung zersplitterte auf dem Ufer ein großer Dschungelbaum. Der Regenguß spritzte wie die Strahlen von fernen Gartenschläuchen herein. Unsere Habe schwamm mit den Fischen, die wir im Laufe des Tages gefangen hatten, im Boot umher. Der Kameramann schlief, bei solchem Wetter brauchte er nicht mit der Insektenspritze zu wachen.
Im Süden Äthiopiens erstreckte sich das Rift Valley zwischen zwei Bergketten von Norden nach Süden in Richtung Kenia. Die Geologen erklären, daß dieses Tal durch die langsame Verschiebung Afrikas gegen Westen im Laufe von Millionen von Jahren parallel zum Roten Meer entstanden ist. In diesem breiten Gebirgstal liegt eine Reihe großer Seen wie Perlen an der Schnur. An einem, dem Swaisee, werden Papyrusboote gebaut. Durch das Tal führt eine ausgezeichnete Autostraße, und die anderen Seen sind beliebte Ausflugsziele für Weekend-Touristen aus der Hauptstadt Addis Abeba, die hier zum Jagen, Fischen und Baden herkommen. Nur zum Swaisee, dem schönsten von allen, kommen sie nicht. Denn dorthin führt kein Weg, und auf dem Papyrus des Swaisees lebt die Schnecke, die den Bilharziawurm aufzieht, so daß kein Badegast seine Füße in diesen See taucht.
In Addis Abeba erzählten mir zwei Schweden von diesem See. Einer war Ethnologe und hatte deshalb alles über die Inselbevölkerung gelesen, der andere ernährte sich als Vogelfänger in Äthiopien und war deshalb selbst am Seeufer gewesen. Mit Proviant und Feldausrüstung verließen wir in einem geliehenen Jeep unser Hauptquartier in der Hauptstadt und sausten auf besonders guten, guten,
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