Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
in einer künstlichen Schilf gasse auf dem schwankenden Sumpfrand stand, denn hier führte ein schmaler Fußpfad zum See hinunter. Wir waren mit Axt und Tau versehen und hatten zwei armdicke, mannshohe Äste zugehauen, die wir für unseren Plan brauchten. Jetzt warteten wir nur darauf, daß die Papyrusboote anlegen würden.
Dort kamen sie. Sie ähnelten mit ihren quer abgeschnittenen Achtersteven und dem zu einer Spitze hochgebogenen Bug den Booten vom Tschadsee. Aber sie waren klein. Jedes bot nur einem Mann Platz, Die beiden ersten kamen von den Inseln, um mit den Galla-Negern an Land Waren zu tauschen. Einer brachte in einem Tonkrug und in der getrockneten Schale eines Flaschenkürbisses graubraunes Maisbier. Der andere hatte frisch gefangene Fische. Kurz darauf kam auch der dritte und begann, sein Papyrusboot an Land zu ziehen. Wir hielten sie an. Wir wollten ein Geschäft vorschlagen, und bald hatten wir die drei kleinen Boote von ihnen gemietet. Wir legten sie nebeneinander und banden sie mit unserem mitgebrachten Tau und den beiden soliden Ästen, die wir querlegten, zusammen. Das war unser Schlachtplan. Wir wußten, daß dies der einzige Weg war, um auf die Insel zu kommen. Denn dort draußen wohnte das Laki-Volk. Es allein besaß Boote auf dem Swaisee und baute sie aus alter Gewohnheit so klein, daß keine unerwünschten Landratten den Zugang zu seinem uralten Versteck auf den Inseln erzwingen konnten.
Das Laki-Volk ist nicht mit den Galla-Negern verwandt, die das Festland rund um den See bewohnen. Die Galla-Neger sind typische Afrikaner und ernähren sich ausschließlich von Ackerbau und Viehzucht. Sie sind fest der Erde des Kontinents verwurzelt und haben nie versucht, Boote oder Flöße zu bauen, um sich auf das Wasser zu wagen. Das Laki-Volk gründete dagegen sein Dasein auf die Papyrusboote, weil es nicht nur die Erde bebaut, sondern auch fischt und Handel treibt. Trotz seiner schwarzen Haut ist das Laki-Volk bei weitem nicht negroid. Wie die meisten Äthiopier besitzt es scharfe, schmale Gesichtszüge und Profile, die an die Bevölkerung der biblischen Länder erinnern. Wie die Mönche auf dem Tanasee waren sie aus dem Gebiet der Nilqueilen eingewandert, und wie jene hatten sie auf ihrer Flucht in die Isolation der entlegenen Inseln die Kunst mitgebracht, Papyrusboote zu bauen. Erst um die Zeit zwischen 1.520 und 1.535 hatten sie sich auf ihre lange Wanderung zum Rift Valley begeben, wo sie sich mit all ihren Kirchen schätzen und alten koptischen Manuskripten auf den Inseln Im Swaisee ansiedelten. Dort draußen sollten die Manuskripte noch vorhanden sein, trotz vierhundertjähriger Feindschaft mit dem GaIIa-Volk auf dem Lande hatte es nie ein Landbewohner geschafft, auf die Inseln vorzudringen. In den letzten Jahren war die Feindschaft erloschen, der Tauschhandel hatte die Oberhand gewonnen, und einzelne Laki-Familien waren auf das Festland gezogen. Aber traditionsgemäß wurden am See nur Boote gebaut, die höchstens eine Person neben dem Paddler tragen konnten. Und selbst ein armer einzelner Passagier hatte auf dem schmalen Schilfbündel so wenig Platz, daß es umkippte, wenn er nicht still saß, die Knie gestreckt hielt oder die Beine links und rechts vom Bündel ins Wasser steckte und balancierte.
Deshalb betrachteten wir triumphierend unser vollendetes Werk, ein stabiles Floß von drei zusammengebundenen Fahrzeugen. Wir sammelten die Ausrüstung zusammen und machten uns bereit, an Bord zu gehen, um auf die verlockenden Inseln überzusetzen. Da entdeckten wir, daß ein Laki-Mann seelenruhig die Knoten auflöste und sein Boot herauszog, Er erklärte Aseffa, daß er von der Insel gekommen sei, um Brennholz für das Maskal-Feuer zu holen, aber nun sei ihm eingefallen, daß es woanders besseres Brennholz gebe. Er grüßte höflich und beeilte sich, mit seinem für uns unentbehrlichen Drittel unseres kleinen Floßschiffes davonzukommen.
Erst am späten Nachmittag gelang es uns, einen anderen Laki-Mann heranzurufen. Er paddelte am Schilfrand entlang und warf Netze aus. Fast jedesmal, wenn er das Wurfnetz einholte, blinkte es darin wie zappelndes Silber. Wir kauften den Fang, einundzwanzig delikate Tulumu- Fische, und brieten für jeden einen auf glühender Kohle, den Rest schenkten wir dem Fischer. Bei diesem Geschäft war das Mieten des Bootes eingeschlossen, und dieses Mal legten wir behende ab, sobald das Floß fertig war. Mit drei Mann und der Filmkamera auf schwankendem Stativ schwamm es ganz
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