Expedition Ra - Mit dem Sonnenboot in die Vergangenheit
weniger guten und schließlich elenden Wegen dahin, bis wir in einer gastfreien schwedischen Missionsstation hoch oben am Abhang, östlich vom Rift Valley, Nachtquartier bekamen. Mit dem scharfsinnigen äthiopischen Lehrer Aseffa als Dolmetscher und einem jungen Galla-Neger, der »den Weg kannte«, starteten wir am nächsten Morgen den Jeep, um uns zum Swaisee aufzumachen. Eine tiefe Schlucht mit einer schäumenden Stromschnelle versperrte den Zugang zur Ebene nach Westen in Richtung See, und um einen Übergang zu finden, mußten wir erst 28 km südwärts über aufgeweichte, erst im Bau befindliche Straßen. Dann kamen wir über eine imposante Steinbrücke und fuhren 50 km nach Nordwesten, ohne Weg oder Radspur. Wir folgten schmalen Reitwegen, Wildwechseln und Lichtungen zwischen den verstreuten Bäumen im Wald, bald hier, bald dort, und die ganze Zeit mußten wir vor dem Jeep herlaufen, um eine Durchfahrt zu suchen. Der »Führer« war kleinlaut und machte den Mund nicht auf, und wenn er doch einmal die Richtung bestimmte, führte er uns in die Irre. Es gab keine wilden Tiere, aber viele alte Grabhügel, und oft sahen wir Galla-Neger auf Streifzug im Wald, einen Speer über der Schulter und einen Hund dicht auf den Fersen. Einer erschrak und hob den Speer zur Selbstverteidigung, als wir mit dem Jeep auf ihn zufuhren, um nach dem Weg zu fragen. Dann lief er, so schnell er konnte, in den lichten Akazienwald.
Am späten Nachmittag erreichten wir einen hohen Berggipfel, der in den Swaisee hineinragt und von dem man einen guten Ausblick auf das östliche Ufer und zwei der fernen Inseln hat. Oben auf der Landspitze lagen eine winzige Bretterhütte und ein großes Zelt, die schwedische Missionsklinik. Die Station wird von einer Krankenschwester allein betrieben, und sie war in Schweden auf Urlaub, aber ein Wächter vom Galla-Stamm wohnte mit seiner Familie nebenan in einer Grashütte und ließ uns das Zelt benutzen. Auf beiden Seiten sahen wir die Schilfsümpfe sich vom Fuße des Berges nach Norden und Süden erstrecken, und tief unten schien die Abendsonne auf ein gelbes Korn, das sich über den See zu bewegen schien, ein kleines, langsames Papyrusboot auf dem Rückweg zur nächsten Insel.
Wieder erlosch der Tag so schnell, wie er nur acht Grad entfernt vom Äquator erlischt. Und dann begann die Vorstellung. In den umliegenden Bäumen schwatzten Affen. Flußpferde watschelten auf die Ufer und begaben sich schmatzend in die Maisfelder der Neger. Geheul und Gejammer von immer mehr Hyänen kam immer näher. Am See, weit, weit entfernt, schlugen Trommeln. Vom Zelt aus sahen wir auf der Insel Feuer brennen. Aseffa sagte, daß dort die Kopten den Beginn ihres großen Mas-kal-Festes feierten. Ich wollte hinauskriechen und mich umschauen, als ich gegen zwei dunkle speerbewehrte Gestalten stieß. Sie standen fast unsichtbar dicht vor der Zeltöffnung. Es war der Wächter aus der Grashütte mit einem Verwandten, der uns fragte, ob wir die Hyänen ansehen wollten. Sie hatten ihr Maultier tot aufgefunden, und nun waren die Hyänen dabei, sich gütlich zu tun. Wir schlichen in das Wäldchen. Vor uns hörten wir herzzerreißendes Schreien, Kläffen, Knurren und Schnappen. In den umliegenden Gebüschen leuchteten wachsame Hyänenaugen, als hätten sie warnende Parkleuchten im Schädel. Als wir die Taschenlampe anknipsten, war der Spuk lautlos und unsichtbar wie auf einen Zauberschlag verschwunden. Nur das Maultier blieb blutig und zerrissen zurück. Wir machten die Lampe wieder aus und warteten. Dann wurden alle Augen wieder angeknipst, ein Paar nach dem anderen, überall, und die Bestien heulten, jammerten und zerrten. Wir hörten es im Gebüsch brechen, und Zweige knackten. Wir knipsten die Lampe aufs neue an. Nur das halbe Maultier war noch übrig, die Hyänen hatten es zerlegt, und das ganze Hinterteil war spurlos verschwunden. Wir durchsuchten alle Büsche, die voller Blutspuren waren, aber eine Hälfte mit beiden Hinterbeinen hatte die Nacht für immer verschluckt.
Am nächsten Morgen kletterten wir zum Papyrussee hinunter. Ein einzelnes Flußpferd hatte das Maisfeld am Fuße des Berges teilweise niedergetrampelt und im Laufe der Nacht Hunderte von Maiskolben gefressen. Der Nachbar verscheuchte gerade Affen, die einheimsten, was der Riese aus dem See übriggelassen hatte. In der Ferne sahen wir auf dem Wasser einige kleine Papyrusboote von den Inseln direkt auf uns zusteuern. Wir warteten auf einer kleinen Anlegestelle, die
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