Expedition zur Sonne
können, und das können wir hier nicht tun. Wir müssen also alles zum zweitenmal machen.«
Ledermann nickte langsam.
Hoeys Reaktion war ein paar Stunden später etwas eindrucksvoller. Er und Luisi feierten ihre Befreiung mit einem improvisierten Lied, als Toner ihnen so schonend wie möglich die Neuigkeit beibrachte, daß man mit der ganzen Sache noch einmal von vorn beginnen würde.
Er wickelte diese Information in Schmeicheleien und verlieh seiner Stimme alle Liebenswürdigkeit, derer er fähig war. Und er versüßte die unangenehme Botschaft mit einer respektablen Gehaltserhöhung. Aber keiner der Piloten war imstande, die Nachricht mit philosophischer Ruhe zu akzeptieren. Sechzig Stunden später, als die Schiffe sich erneut von der Holiad entfernten, waren sie noch immer sichtlich verärgert.
Sie beruhigten sich wieder, während die Meßlinien festgesetzt wurden. Ihre frühere Praxis mochte ihnen sehr geholfen haben, denn sie brauchten nur neunzig Minuten, um ihre kleinen Schiffe in die richtige Relation zueinander zu bringen.
»Wir sind soweit, Doc!« Hoeys Stimme klang beinahe jubelnd. Toner, der inzwischen ziemlich überzeugt davon war, daß beim erstenmal ohnehin alles ordnungsgemäß verlaufen war, konnte ebenso gut gelaunt antworten.
»Gute Arbeit, das ging ja sehr schnell. Ich werde jetzt die A-Messungen einstellen. Wie weit seid ihr etwa von der Stelle entfernt, an der wir zum erstenmal mit dem Programm begonnen haben?«
»Ein paar Flugstunden, würde ich sagen. Wir haben es nicht genau festgestellt. Sie sagten ja nicht, daß das notwendig sei.«
»Ist es auch nicht. Entspannt euch.«
»Okay, Boß. Bringen Sie die Dinge ins Rollen.«
»Sie rollen bereits.«
Sogar in der ruhigeren Atmosphäre des zweiten Ablaufs steigerte sich die Spannung ein wenig, während Programm A abgewickelt wurde. Obwohl dieser Teil des Projekts beim erstenmal ohne erkennbaren Fehler abgelaufen war, konnte man nicht wissen, ob die mögliche unbekannte Fehlerquelle bei Programm B nicht noch immer existierte.
Natürlich konnte es so sein. Die Programme waren verschieden – und das Wort »unbekannt« war sicherlich ein Schlüsselwort. Niemand konnte ganz sicher sein – noch nicht.
Toner und Ledermann kannten freilich die genaue Sekunde, in der die Unterbrechung des Programms B – wenn es wirklich eine gewesen war – stattgefunden hatte. Hoey und Luisi kannten sie beinahe genauso gut von Toners Bericht her. Alle vier beobachteten die Uhren. Vielleicht lag es an der Spannung, die die Uhrzeiger in ihnen hervorriefen, vielleicht auch nicht. Danach wußte es keiner genau zu sagen. Was immer auch die Ursache war, sechs Sekunden vor dem kritischen Moment, als beide Wissenschaftler ihre Armlehnen umklammerten und auf ihr Kontrollsystem starrten, mußte Hoey niesen.
Er nieste ziemlich laut, und die Tatsache, daß Toner es klar durch den Kommunikator hörte, half auch nicht, die Effekte zu verringern. Der Kopf des Piloten hatte auf der gepolsterten Stütze geruht, die ein Teil seines Sitzes war, in der Stellung, die er während des ganzen Experiments hätte beibehalten sollen. Die Zuckungen der Muskeln während des Niesens ließen seinen Kopf um etwa zwanzig Zentimeter herabsinken.
Die Anfforddus wog etwa eine Million mal so viel wie Hoeys Kopf, so daß ihr Mittelpunkt sich etwa nur um ein Millionstel bewegte, was etwa den fünfzigsten Teil eines Mikrons ausmachte. Die Tatsache, daß dies innerhalb der Toleranzgrenzen des Experiments lag, dämmerte Toner nicht sofort. Unter anderen Umständen hätte er es wahrscheinlich in Sekundenschnelle erkannt, aber jetzt war seine Reaktion mehr ein Reflex als eine bewußte Handlung. Er benahm sich wie ein überzeugter Antivivisektionist, vor dessen Augen man ein mechanisches Herz in einem Hund ausprobierte. Er explodierte. Er sprang auf – und bewegte sich viel spürbarer als Hoey, obwohl es glücklicherweise keine Rolle spielte, ob die Holiad sich bewegte oder nicht. Er begann auch zu reden, wenn es auch ungewiß ist, was er sagte. Ledermann löschte diesen Teil vom Tonband. Der jüngere Mann brauchte etwa dreißig Sekunden, um seinen Vorgesetzten so weit zu beruhigen, daß er vernünftigen Argumenten zugänglich war, und weitere fünfzehn Sekunden, bis er diese Argumente begriff. Nach fünf Sekunden hatte Toner dann seine Beherrschung wiedergewonnen und begann sich bei Hoey zu entschuldigen.
Aber Hoey hörte die Entschuldigung wahrscheinlich nicht.
In den rund fünfzig
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