Extra scha(r)f
glatt so, als würde er höchstpersönlich das Konto der Queen verwalten. Aber ich schwöre euch, heute mache ich diesen dummen Schnösel fertig.«
»Vergiss nicht unsere Gebote, Stevie«, säuselt Daniel in besonders affektiertem Ton. »Du sollst nicht töten, und du sollst die Leute auch nicht bis zur Erschöpfung quälen.«
»Ach, das hat sich doch ein Weichei ausgedacht«, wettert Steve weiter und macht Schattenboxen mit einer der TV-Kameras an der Wand. »Heute wird der Feind nicht geschont!«
Während um mich herum gequatscht und gekichert und gescherzt wird, beobachte ich meine Leute - mit Argusaugen. Hassen sie mich wirklich? Wenn ich nicht hier wäre, würden sie dann über mich herziehen? Ich meine, schließlich waren die Lästereien zu Lydias Zeiten der Antrieb, der uns den Tag überstehen ließ. Es macht ja auch Spaß, über den Chef herzuziehen - aber jetzt bin ich der Chef. Trotzdem, alles wirkt völlig normal. Ich kann keine unsichtbare Wand zwischen meinen Leuten und mir spüren. Aber wer weiß?
Anscheinend sind alle so aufgeregt, dass sie nichts anderes tun können, als aufgeregt zu sein. Ich sollte mit gutem Beispiel vorangehen und mich an die Arbeit machen ... aber warum eigentlich? Besser, ich gehe zur Toilette und überprüfe mein Makeup. Wenn ich schon dabei bin, kann ich auch überprüfen, wie tief ich mich bücken kann, ohne dass mein Slip zu sehen ist. Mein Rock ist nämlich gefährlich kurz. Wenn ich mich recht erinnere, war meine Devise, als ich mich heute Morgen anzog: Zeig, was du hast. Aber jetzt bin ich mir nicht mehr sicher, ob das eine gute Idee war.
»Heute darf nichts schief gehen, verstanden, Charlie?«, weist Jamie mich in leisem Ton an.
»Verstanden«, erwidere ich genauso leise, während ich die beiden Männer aus dem Filmteam beobachte, die gerade ihre Ausrüstung auspacken (und die der Grund sind, weshalb Jamie und ich leise reden). Es ist zehn nach neun, um zehn Uhr sollen die Aufnahmen beginnen. Nur noch eine knappe Stunde. Ein wichtiger Tag für Jamie. Kein Wunder, dass er mich so ansieht. Lieber Gott, bitte sorge dafür, dass alles glatt über die Bühne geht. Nur heute. Und wenn du schon einmal dabei bist, lieber Gott, sorge bitte auch dafür, dass Jacqueline nicht hereinschneit. Seit dem Anschiss hat Jamie nicht mehr von ihr gesprochen. Wahrscheinlich verhält er sich ruhig wegen Jacquelines Platin-Mitgliedschaft. Vorerst jedenfalls. Unsere Platin-Mitgliedschaft kostet nämlich ein Vermögen und verkauft sich schlechter als Sand am Strand. Werden wir nur eine davon los, kann Jamie sich eine weitere Nacht im Sandy Lane auf Barbados leisten. Bestimmt trägt er einen inneren Kampf mit sich aus. Bestimmt prügeln sich der Jamie, der sich vor körperlichen Unzulänglichkeiten ekelt, und der Jamie, der auf Jacquelines Geld scharf ist, gegenseitig die Scheiße aus dem Leib.
Aber heute - wie könnte das einer von uns vergessen - ist das Fernsehen bei uns, und das hat für Jamie oberste Priorität. Mit anderen Worten: Keine Hautunreinheiten, keine Verletzungen, keine Narben und vor allem keine Figuren wie Jacqueline dürfen auch nur in die Nähe der Kameras kommen.
Wissen Sie was? Ich habe keinen Bock mehr auf diesen Mist. Was glaubt Jamie eigentlich, wen er vor sich hat? Lydia? Erwartet er allen Ernstes, dass ich sämtliche unerwünschten Personen unter den Teppich kehre, damit er sie nicht sehen muss? Das kann er vergessen. Schon allein deshalb, weil es hier keinen Teppich gibt, der groß genug wäre. Zudem hatte ich angekündigt, einen anderen Wind hier hereinzubringen, und genau das habe ich vor. Sobald dieser Fernsehrummel hinter uns liegt. Und sobald ich das Chaos geregelt habe, das in meinem Leben entstanden ist, nachdem ich auf ein mieses Schwein mit den Initialen KB hereingefallen bin.
Jamie wirft mir einen letzten warnenden Blick zu, bevor er in den Fahrstuhl steigt, aus dem Daniel heraustritt. Gleich darauf ziehe ich Daniel zur Seite und raune ihm zu: »Tu mir einen Gefallen und fang sofort mit dem Zone-Check an. In der Stimmung, in der Jamie heute ist, schmeißt er uns alle raus, wenn auch nur ein falsches Gericht auf der Karte steht.«
»Mensch, bleib mal locker, ja? Ich mache den Check später. Ich will nämlich hier unten nichts verpassen.«
»Na schön, aber versprich mir, dass du es nicht vergisst?«
»Keine Sorge, ich vergesse es schon nicht. Mensch, mach mal ein fröhlicheres Gesicht«, sagt Daniel und fährt sich mit der Hand über die kurzen
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