Extra scha(r)f
soeben Vater einer zweiten Tochter geworden sei. Und was geschah darauf? Gab es spontanen Applaus, Freudenrufe, griechische Tänze? Nichts dergleichen, die allgemeine Begeisterung hielt sich sehr in Grenzen. Alle Anwesenden hatten sich - angestiftet von meinem Vater - so sehr einen Jungen erhofft, dass sie nun ihre Enttäuschung nicht verbergen konnten.
»Sie nicht hat eine einzige Haar«, kritisierte Dad, als wir das Neugeborene präsentiert bekamen. In der Tat war der kleine Kopf kahl und glänzte wie eine pinkfarbene Billardkugel, das genaue Gegenteil zu Emily, Dads englischer Rose, die damals als sieben Pfund schwerer Werwolf zur Welt gekommen war. Die Kritik meines Vaters fand ich unmöglich. Die arme Soulla hatte die Hölle durchgemacht, und Dad fiel nichts Besseres ein, als ihre Leistung zu schmälern, weil sie ein Kind zur Welt gebracht hatte, das nicht nur das falsche Geschlecht besaß, sondern zudem kein einziges Haar am Körper, wodurch es für einen griechischen Säugling völlig aus der Art schlug. Ich konnte selbst nicht fassen, dass ich Mitleid mit Soulla verspürte, aber es war so. »Gut gemacht, Soulla«, lobte ich sie freundlich. Ich ziehe den Hut vor jeder Frau, die vor Schmerzen so schreit, als würde sie in dem Film Die Entbindungsstation auf der Elm Street die Hauptrolle spielen, um hinterher als einzige Überlebende ihre Geschichte weiterzuerzählen.
Genau das war Soullas Absicht - uns ihre Geschichte mit allen grausigen Details zu erzählen.
»Ich bin müde. Können wir jetzt endlich gehen?«, sprach Emily das aus, was ich dachte. Soulla war in ihrer Erzählung gerade bei dem spannenden Teil angelangt, als der Kopf herauskam. So genau wollte ich das alles gar nicht wissen. Schließlich habe ich Alien gesehen und weiß alles über Köpfe, die an den unmöglichsten Körperstellen herauskommen, vielen Dank.
Um zwanzig nach sechs waren wir endlich wieder zu Hause. Gerade noch rechtzeitig genug, dass ich unter die Dusche springen und mich für den wichtigsten Tag in meiner jungen Karriere in Schale werfen konnte.
»Du siehst ziemlich scheiße aus«, sagt Daniel, auf den genau das Gegenteil zutrifft. Er wirkt richtig aufgepumpt, als hätte er sechs Monate intensives Krafttraining an einem einzigen Abend durchgezogen. Er trägt wieder seine strahlend blauen Kontaktlinsen und sein glänzendes, eng anliegendes Top, das seine nackten Schultern und seinen nackten Bauch zeigt. Eigentlich handelt es sich nur um einen schmalen Schlauch über der Brust. »Du siehst aus, als würdest du seit Wochen unter Schlafmangel leiden«, fährt er fort. »Warum gehst du nicht wieder nach Hause‘ Ich komme hier auch alleine klar. Ich wollte heute zwar nicht die Hauptrolle spielen, aber wenn es sein muss ...«
»Es geht schon«, entgegne ich mit unterdrücktem Gähnen.
Heute öffnet The Zone seine Pforten erst um neun. Das war Jamies Idee. »So haben auch die Spätaufsteher eine Chance, ins Fernsehen zu kommen«, lautete seine Begründung. Vor allem besteht so die Chance, dass vor dem Eingang eine Massenhysterie ausbricht. Im Foyer drängeln sich unsere Tanzlehrer, die allesamt den Eindruck machen, als hätten sie Ecstasy, Amphetamine und Adrenalin gefrühstückt, die sie mit purem Koffein heruntergespült haben. Es ist zwar erstaunlich, dass ich in meinem übermüdeten Zustand überhaupt etwas mitbekomme, aber das Stimmengewirr ist nicht zu überhören.
Francesca, die für den Saunabereich zuständig ist, sitzt auf der Empfangstheke. Plötzlich schwingt sie ihren Körper nach hinten, nimmt eine kunstvolle Pose ein und verkündet: »Nicht vergessen, keine unnatürlichen Bewegungen vor den Kameras. Ihr müsst euch völlig normal verhalten.«
»Normal?«, ruft Ruby, unsere Spinning-Königin. »Was heißt denn normal, verdammt? Ich weiß nicht einmal mehr, wie man normal atmet.«
»Und ich weiß nicht, was das ganze Theater soll«, sagt Maya, unsere Yoga-Königin.
»Bringt dich eigentlich überhaupt jemals etwas aus der Ruhe?«, fragt Francesca.
»Aber sicher, Süße, ein Orgasmus«, antwortet Daniel für Maya. »Wie ich gehört habe, lässt Maya dann ihre Nagelfeile fallen und macht ommmm.«
Steve, unser Fitnesstrainer, wandert vor der Theke auf und ab wie ein Tiger im Käfig. Wahrscheinlich hing er die ganze Nacht am Anabolika-Tropf. Oder zieht er seine Testosteron-Show extra wegen mir ab? »Um halb zehn habe ich ein Einzeltraining mit diesem Superarschloch von der Coutts Bank«, schimpft Steve. »Der tut
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