Extra scha(r)f

Stacheln seiner mit Gel gestylten Haare. »Schließlich haben wir heute allen Grund zur Freude.«
    Mein Blick fällt auf meine Tasche, die hinter der Empfangstheke auf dem Boden steht. Ich muss an die Videokassetten darin denken. Und da soll ich ein fröhlicheres Gesicht machen? Der Umstand, dass sich diese Bänder inmitten dieses Trubels befinden, macht mich fast verrückt. Aber was hätte ich tun sollen? Die Kassetten zu Hause lassen? Keine gute Idee. Ich komme mir vor wie eine Wissenschaftlerin, die zufällig einen tödlichen Virus entdeckt hat, der die gesamte Menschheit auslöschen kann und den sie in einem Reagenzglas in ihrer Tasche mit sich herumträgt, um ihn zu zerstören, bevor er in den Besitz des psychopathischen Terroristen gelangt, und ... Okay, in meinem Fall nimmt die Katastrophe vielleicht nicht ganz so dramatische Ausmaße an - würde mein Vater die Videokassetten entdecken, wäre hinterher wahrscheinlich nur unser Wohnzimmer verwüstet und nicht gleich der ganze Planet, aber Sie verstehen, worauf ich hinauswill.
    Und Daniel wundert sich, was mit mir los ist!
    Ich muss mir meinen Kummer von der Seele reden. Und zwar sofort, bevor mein Kopf noch explodiert. Zu Sasha kann ich nicht gehen - ich kann ihr nicht unter die Augen treten, nachdem ich weiß, was sie von mir denkt. Sie würde ohnehin nicht mit mir reden wollen. Heute ist sie wieder zur Arbeit erschienen, und bis jetzt sind wir uns zweimal über den Weg gelaufen, aber jedes Mal hat sie mich wie Luft behandelt. Also muss Daniel herhalten.
    »Guten Morgen, hier bin ich! Haben die schon angefangen?« Vor uns steht eine völlig aufgekratzte Rebecca, die es offensichtlich kaum erwarten kann und die auch nur eine halbe Stunde zu spät ist.
    »Du kommst gerade richtig, Becks. Du hältst hier am Empfang die Stellung«, sage ich im Befehlston. »Daniel, du kommst mit mir.«
    »Was, warum, wohin?«, erwidert er entrüstet.
    »Zu einem Meeting in die Bar.«
    »Aber die Show geht bald los.«
    »Dann sollten wir uns beeilen.«
    »Ich glaube es nicht«, stößt Daniel fassungslos hervor, nachdem ich ihm mein Herz ausgeschüttet habe. »Heimlich beim Sex gefilmt werden ... das ist ja völlig pervers.«
    »Ganz richtig«, stimme ich ihm zu.
    »Ich meine, hätte Karl mit offenen Karten gespielt, dann hättest du wenigstens darauf achten können, dass du dich nur von deiner Schokoladenseite präsentierst.«
    »Das ist nicht komisch, Daniel.«
    »Hast du wenigstens den Bauch eingezogen?«
    »Daniel, bitte.«
    »Tut mir Leid, tut mir Leid ... Und was hast du jetzt vor? Willst du es Sasha sagen?«
    »Selbst wenn sie noch mit mir reden würde, würde ich mich nicht trauen. Wahrscheinlich würden wir uns hinterher beide zu Tode schämen. Du hättest mit eigenen Augen sehen müssen, wie sie und Karl -«
    »Was, hast du dir etwa ihre Aufnahmen angesehen?«
    Ich nicke und werde rot.
    »Und? Sag schon, raus mit der Sprache.«
    »Sie ... Ich kann das nicht sagen. Jedenfalls ist Sasha keine Nonne.«
    »Ist ja auch egal, Sasha ist schließlich nur ein kleiner Fisch. Aber was ist mit Blaize? Schluckt sie? Lässt sie sich in ihren kleinen Arsch pimpern?«
    »Daniel! Ich habe keine Ahnung, ich habe mir die Bänder von Blaize nicht angesehen.«
    Er verschluckt sich derart an seinem Kaffee, dass er ihm zur Nase herausläuft. »Bist du denn völlig bescheuert, Mädchen?«, ruft er aus, nachdem er dazu wieder halbwegs in der Lage ist. »Warum hast du sie dir nicht angesehen?«
    Nun, ich war kurz in Versuchung. Aber ich habe dann doch gekniffen, erstens, weil es mich nichts angeht, was Blaize im Bett treibt, und zweitens, weil ich es inmitten von Karls Pornosammlung nicht mehr aushielt.
    »Sag jetzt bitte nicht, dass du Blaizes Bänder in Karls Wohnung zurückgelassen hast«, fährt Daniel fort.
    Genau das hätte ich tun sollen, nicht wahr? Ich hätte Blaizes Videoaufnahmen wieder in dem Karton verstauen und Karls Wohnung verlassen sollen. Im Prinzip habe ich das auch getan ... außer dass ich eine der Blaize-Kassetten eingesteckt habe. Verstehen Sie, meine Überlegung war, dass ich einen Beweis benötigen würde, sollte ich tatsächlich das Richtige tun und Blaize von den Aufnahmen erzählen. Außerdem dachte ich, dass ich mir erst Gewissheit verschaffen musste, ob es sich nicht vielleicht um uralte Aufnahmen von irgendwelchen langweiligen Proben handelte ...
    Also gut, verdammt, ich gebe es zu. Ich war neugierig, was auf dem Band zu sehen ist . Wer wäre das nicht? Schließlich