Extra scha(r)f
dafür, dass Velvet eingearbeitet wird«, sagt Jamie. »Oh, und suchen Sie ihr in der Boutique etwas Passendes zum Anziehen aus.«
Mit diesen Worten verschwindet er. Aus dem Gebäude, aus diesem Irrenhaus. Velvet. Ich mustere sie: Ihr Oberkörper ist von einer Strickjacke eingeschnürt, die vermutlich so eng sitzt, weil sie aus der Kinderabteilung stammt, und ihre Hüften bedeckt ein Minirock, gegen den meiner wie eine bodenlange Robe aussieht. Ihre langen Beine stecken in den höchsten und spitzesten Lackstiefeln, die ich jemals gesehen habe und die sich unmöglich zum Laufen eignen können.
Hör sich das einer an. Ich kann ja richtig zickig werden. Ich klinge, als wäre ich Lydias Zwillingsschwester. Vielleicht erweist sich Velvet ja als großer Glücksfall für das Studio. Das arme Mädchen hat eine Chance verdient.
»Ich bin total aufgeregt«, sagt sie mit völlig aufgeregter Stimme. »Ist das nicht unglaublich, dass an meinem ersten Tag das Fernsehen hier ist?«
Ich blicke Daniel an. Er zieht eine Augenbraue hoch, was so viel heißt wie: Ja, in der Tat, was für ein Zufall, nicht? Das hat sicher nichts mit Jamies primitiven Instinkten zu tun, die ihn dazu veranlassen, sich ein Busenwunder für seine TV-Doku zu wünschen.
In diesem Augenblick kehrt Rebecca zurück, die nun wieder ein vergnügtes Gesicht macht. »Tut mir Leid wegen eben«, entschuldigt sie sich. »Normalerweise verliere ich nicht so schnell die Fassung. Kann ich mich irgendwie nützlich machen?«
»Ja, das ist ... äh ... Velvet-« (Hieß so nicht auch ein Filmpferd?) »- Sie ist deine neue ... ahm ... Assistentin.«
Rebecca platzt beinahe vor Stolz: Sie bekommt eine eigene Assistentin. Ihr Gesichtsausdruck genügt mir, um eine Entscheidung zu fassen: Ich werde Rebecca persönlich unter meine Fittiche nehmen, bis sie die beste Fitness-Beraterin in diesem Studio - auf diesem Planeten! - ist. Gemeinsam schaffen wir das, das weiß ich. In absehbarer Zeit. Aber im Moment muss sie sich noch mit niederen Aufgaben begnügen.
»Sei so lieb, Becks, und geh mit Velvet in die Boutique«, sage ich. »Hilf ihr, passende Arbeitskleidung auszusuchen. Nimm etwas Weites, damit sie ... es bequemer hat.«
Nachdem Rebecca und Velvet weg sind, dreht sich mir der Kopf - und dabei hat der Tag noch gar nicht richtig angefangen. Ich will mich gerade hinsetzen, um mich kurz auszuruhen und meine Gedanken zu ordnen, als Claire - die, verglichen mit Velvet, tatsächlich kleinbrüstig wirkt - an den Empfang kommt. »Hi. Es geht gleich los«, ruft sie fröhlich und deutet mit dem Kopf auf die beiden Kameras an den Wänden. »Tut also einfach so, als wäre dies ein ganz normaler Tag und wir wären gar nicht hier.«
Sofort verkrampfe ich mich.
Wie aufs Stichwort schwingt die Eingangstür auf, und Blaize schwebt herein, wie immer gefolgt von ihrer Entourage. Wahrscheinlich hat sie Ohren wie ein Luchs und wittert eine Kamera bereits aus zwei Block Entfernung. »Schön, dass Sie wieder da sind«, sage ich und setze mein bestes Zone-Lächeln auf, während der Aufmarsch aus Fußvolk und Tänzern eine lange Schlange vor dem Empfang bildet.
»Die Ärzte haben ihr zu einer Auszeit geraten, aber Sie wissen ja, the show must go on«, sagt Julie, Blaizes Managerin, und legt den Arm um die Schultern ihres Goldesels. Was für ein tapferer, kleiner Popstar. Wir könnten uns mitten in einem Atomkrieg befinden, und Blaize wäre trotzdem hier, bereit zum Kick Ball Change.
»Jedenfalls war das neulich ein deutliches Warnzeichen«, bemerkt ein schlaksiger, blonder Tänzer.
»Ja, aber jetzt sind wir wieder da, und wir werden uns für Karl die Seele aus dem Leib tanzen«, bemerkt ein anderer und erntet Beifall. Komisch, mit einem Mal zeigen die Tänzer wesentlich mehr Anteilnahme an Karl als im Tanzsaal, wo er vor ihren Augen zu verbluten drohte.
Ich verpasse Daniel unauffällig einen Stoß, und er setzt sich in Bewegung, um den Tross nach oben zu geleiten. Während sich das Foyer leert, stoße ich vor lauter Erleichterung die Luft aus, da es mir nämlich schwer fiel, Blaize ins Gesicht zu schauen, ohne automatisch an die Videokassetten zu denken. Aus irgendeinem Grund ist Julie vor der Theke stehen geblieben. Sie lehnt sich darauf und schenkt mir ein strahlend falsches Lächeln. »Herzchen, noch ein paar Dinge vorab zu den Kameras: Blaize legt großen Wert auf ihre Privatsphäre, was bedeutet, dass das Studio für die Fernsehleute tabu ist ... Außer natürlich, Blaize bittet sie
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