Extra scha(r)f
sich ja das Fernsehteam von Channel Four angekündigt hat, um das Studio zu besichtigen - wegen der Standorte für die Kameras und so weiter. Aber das ist noch nicht alles. Wir bekommen außerdem adligen Besuch. Nein, nicht Prince Charles oder Prince William oder so.
Popadel. Auch Blaize genannt.
Als ich ins Foyer zurückkehre, finden sich gerade die ersten Tänzer - die wenigen Auserwählten - ein. Sie werden sich eine Stunde lang in Studio 4 aufwärmen, bis Ihre königliche Hoheit persönlich erscheint.
»Und, hast du alles abgehakt?«, fragt Daniel.
»Ja«, antworte ich. »Irgendwelche besondere Kundschaft während meiner Abwesenheit?«
»Nein, bis auf diesen total hässlichen Typen mit der Handprothese, der das Extraprogramm nehmen will. Er kommt nachher wieder, dann aber mit Kreditkarte.«
»Gute Arbeit«, lobe ich ihn. »Weiter so.«
»Ja, Herrin.«
Ich zucke innerlich zusammen. Seit Lydias Seitenhieb habe ich immer ein komisches Gefühl, wenn Daniel auf der Du-bist-der-Boss,-und-ich-bin-dein-Sklave-Schiene reitet. Wenn ich genauer darüber nachdenke, macht er das in letzter Zeit häufig. Daniel macht zwar auf mich keinen besonders ehrgeizigen Eindruck, aber warum sollte er nicht ein Auge auf den Managerposten geworfen haben? Schließlich sind wir beide gleich alt und haben am selben Tag hier angefangen. Hätte Jamie Daniel den Vorzug gegeben, vielleicht wäre ich dann auch enttäuscht gewesen ...
Quatsch, ich bilde mir das ein. Schließlich reden wir hier von Daniel, dem Mann, dem nichts heilig ist, und zugleich von meinem besten Freund. Daniel kann nicht neidisch auf mich sein.
In diesem Moment schwingt die Eingangstür auf, und Jenna Mason schwebt auf uns zu - um keinen Zweifel daran zu lassen, wer die wahre königliche Hoheit ist und wer nur Prinzessin. »Hi, Jen«, rufe ich ihr freundlich zu, da ich weiß, dass sie es hasst, so genannt zu werden. »Ihr seid wieder in Studio 4. Ein paar von den Tänzern sind schon da.«
Jenna bleibt nicht einmal stehen. »Dann bete, dass die Klimaanlage funktioniert«, erwidert sie. »Heute werde ich nämlich dafür sorgen, dass der Schweiß in Strömen fließt.«
Ich muss wieder an den Tumult wegen Jenna vor nicht allzu langer Zeit denken, als sie aus purem Eigennutz die Tänzer in aller Herrgottsfrühe hier anrücken ließ. »Keine Sorge, die ist repariert«, sage ich und füge hinzu, »du eingebildete Ziege«, während sich die Fahrstuhltür hinter ihr schließt. »Daniel, solltest du mich jemals dabei erwischen, dass ich dieser Kuh den Hintern küsse, dann tu mir den Gefallen und bring mich um.«
»Gern ... Da wir gerade vom Hintern küssen sprechen, wie läuft es eigentlich mit Mr Superschwanz?«, fragt er.
»Oh, recht gut«, entgegne ich und schwelge kurz in der Erinnerung an den gestrigen Abend - und ich dachte immer, der multiple Orgasmus sei eine Erfindung der Frauenzeitschriften, um den Absatz anzukurbeln.
»Dann erzähl mal von ihm. Was macht er beruflich?«
M ist. Warum muss er ausgerechnet das fragen? Ich weiß immer noch nicht genau, wovon Karl lebt. Seit unserem ersten Date auf der Behindertentoilette war ich fünfmal bei ihm in der Wohnung, aber wir haben uns immer noch nicht richtig unterhalten. Wir waren zwar weder leise noch stumm, aber das kann man nicht als Unterhaltung bezeichnen. Mann, ich weiß noch nicht einmal seinen Nachnamen.
»Er ist ... Er ist ...«
»Du hast keinen blassen Schimmer, nicht wahr?«
Ich nicke.
»Du wirst noch genauso schlimm wie ich. Ich hatte mal was mit nem Typen, das ging so einen Monat, und danach habe ich gemerkt, dass das Einzige, was ich von ihm wusste, seine Handynummer war. Ich könnte dir nicht einmal mehr sein Gesicht beschreiben, aber dafür könnte ich dir genau aufzeichnen, wie die Adern auf seinem Schwanz verliefen.«
»Lass gut sein, Daniel. Der Hinweis mit der Handynummer hätte genügt, um mir deinen Standpunkt klar zu machen.«
Im nächsten Augenblick öffnet sich die Fahrstuhltür, und Rebecca erscheint auf der Bildfläche. »Steve möchte, dass die Musik lauter gestellt wird. Er sagt, er kann überhaupt nichts hören.«
»Dann richte ihm aus, er soll nicht ständig brüllen«, entgegnet Daniel. Er nimmt die Fernbedienung in die Hand und stellt das Kylie Special auf Diskolautstärke.
Gleich darauf betritt ein Handwerker das Foyer. »Wir bringen die Stangen«, sagt er, während er sich uns gemächlichen Schrittes nähert.
Gerade als ich sage »Entschuldigung, aber was für Stangen?«,
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