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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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schwingt die Eingangstür erneut auf, und weitere Männer kommen herein. Jeder von ihnen trägt ein circa drei Meter langes, stangenähnliches Gebilde, eingewickelt in diese Plastikfolie mit Luftblasen, die man endlos knacken lassen kann. Der Vorarbeiter blickt auf sein Klemmbrett. »Hier steht, wir sollen drei Meter hohe Chromstangen in Studio 2 anbringen«, schreit er über Kylies »I Should Be So Lucky« hinweg.
    Ich fasse es nicht. Pole Dancing. Was sonst? Jamie hat kein Wort davon gesagt, aber allmählich erkenne ich, dass ich als Hauptverantwortliche die Letzte bin, die hier etwas erfährt. Pole Dancing ist momentan der letzte Schrei. Das Neueste vom Neuesten. Jedenfalls so lange, bis es von etwas Neuerem abgelöst wird, was in circa ... ein paar Wochen der Fall sein dürfte. Ich weiß, das klingt zynisch, aber ich habe mehr Fitnesstrends kommen und gehen sehen als Boygroups. Ich persönlich kann einem Tanz nicht viel abgewinnen, bei dem man die Beine um eine kalte Metallstange schlingt und sich wie ein Schlangenmensch im Zirkus an dieser räkelt, lediglich mit einem winzigen String und Schaftstiefeln bekleidet ... klaro! Was rede ich da überhaupt? Natürlich verstehe ich die Absicht, die dahintersteckt: Es gibt unzählige Männer, die bereitwillig ihr gesamtes Monatsgehalt opfern, um auf eine Metallstange zu starren, vorausgesetzt, eine halb nackte Frau hängt daran und stellt ihre Gebärmutter zur Schau.
    »Sie müssen sie nach oben schaffen«, sage ich. »Das Studio ist im ersten Stock.«
    Der Mann streckt mir sein Klemmbrett entgegen. »Würden Sie unten links unterschreiben?«
    Während ich unterschreibe, komme ich mir vor, als würde ich Sashas Todesurteil unterschreiben. Aber warum mache ich mir überhaupt Gedanken um sie? Schließlich scheint sie ihre berufliche Zukunft einen feuchten Dreck zu interessieren. Zurzeit gibt sie gerade einmal zwei Kurse, an denen jeweils drei Leute teilnehmen. Ich habe auf Sasha eingeredet, sie solle Tanzkurse geben, aber vergebens. Ihr momentanes Interesse gilt einzig und allein Ben. Sollte Sasha überhaupt irgendwelche Ambitionen haben, dann zielen sie ausschließlich auf ihren neuen Lover. Im Moment schmachtet Kylie »Can‘t Get You Out Of My Head«. Sehr zutreffend. Na ja, wenigstens ist Sasha glücklich.
    Vielleicht sollte ich ihren Job in der Boutique positiver betrachten. Es ist zwar nur eine Boutique, aber immerhin befindet sie sich im The Zone . Ja, vielleicht sollte ich Sasha ihren Job schmackhafter machen und ihr zureden, endgültig einen Strich unter ihre Trainerkarriere zu ziehen. Außerdem, wer hat noch Bock auf langweiliges Aerobic, wenn man sich stattdessen an Chromstangen räkeln kann?
    »Sieh mal, wer da ist«, sagt Daniel und reißt mich aus meinen Überlegungen.
    Ich hebe den Kopf und lasse ihn sofort wieder sinken, um zu prüfen, ob mein Top irgendwelche Saftflecken aufweist, mein Slip sich irgendwo an meinem Hintern abzeichnet oder ob einer meiner künstlichen Fingernägel fehlt. Dann atme ich einmal tief durch und versuche das coolste und gelassenste Gesicht in meinem ganzen Leben zu machen. »Hi, Karl«, sage ich. »Welche Überraschung.«
    Es fällt mir ziemlich schwer, die coole Fassade aufrechtzuerhalten, da mein Herz gerade zu Kylies »The Locomotion« im Takt schlägt. Ich wusste, dass er nicht von mir lassen kann, ich wusste es einfach!
    »Hi, Charlie«, erwidert Karl, doch gerade als er zum Sprung über die Empfangstheke ansetzt, um mich voller Leidenschaft in seine Arme zu reißen und innig seine Lippen auf meine zu pressen (was er wirklich vorhatte, dessen bin ich mir sicher), wird er durch einen plötzlich einsetzenden Tumult hinter ihm abgelenkt. Blaize ist eingetroffen.
    Natürlich, das war absehbar. Diese verdammten Popstars. Sie tauchen immer dann auf, wenn sie unerwünscht sind.
    Blaize hat ihren Hofstaat mitgebracht. Dazu gehören Julie mit der Anastacia-Brille, ein Kerl in der Größe eines Fußballstadions, bei dem es sich nur um einen Bodyguard (oder vielleicht doch um ein Fußballstadion) handeln kann, sowie das ergebene Fußvolk, das ständig um Blaize, die ich in der Mitte des Gewimmels erspähe, herumwuselt. In echt sieht sie noch hübscher aus. Zwar etwas kleiner, aber dafür viel niedlicher.
    Ich bin hin und her gerissen. Einerseits würde ich Blaize am liebsten mit offenem Mund anstarren, andererseits ermahnt mich eine - hochprofessionelle - innere Stimme, Blaizes Popstar-Allüren mit freundlicher Effizienz zu begegnen,

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