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Extra scha(r)f

Extra scha(r)f

Titel: Extra scha(r)f Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Beaumont
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sieht jetzt endlich zu uns herüber. Zu Karl. Vielleicht ist sie ja doch kein selbstsüchtiges, verwöhntes Popsternchen. »Meine Tasche!«
    Mein Blick fällt auf die Handtasche, auf die Blaize hektisch deutet - ein vermutlich teures, weißes Designerstück mit DKNY-Logo. Die Tasche steht nicht allzu weit entfernt von Karls Kopf, und die Blutlache rückt immer näher. »Um Gottes willen, zieht ihn weg, bevor er noch alles voll blutet«, brüllt sie. Die Tänzer, die bei mir stehen, geraten in Bewegung, und sie bücken sich, um Karl an Händen und Füßen zu packen.
    »Stopp!«, schreite ich ein. »Wir wissen nicht, ob er an der Wirbelsäule verletzt ist.« Daraufhin lassen sie Karl wieder los, und einer bringt Blaizes Tasche in Sicherheit.
    Wahnsinn. Während Daniel und ich uns um einen Schwerverletzten kümmern, geraten alle anderen in Panik wegen einer Designerhandtasche. Aber ich vergesse, mit wem wir es hier zu tun haben und wie das strikte Arschkriecherritual funktioniert: Die Tänzer kriechen den Choreografen in den Arsch, die Choreografen den Künstlern, die Künstler den Studiomanagern, wünschte ich mir jedenfalls. Denn dann könnte ich dieser eingebildeten Ziege sagen, was ich von ihrem Asthma-Anfall halte, der - machen wir uns nichts vor - in dieselbe Kategorie gehört wie der Infackt meines Vaters.
    Gleich darauf wird die Tür aufgestoßen, und zwei Sanitäter eilen herein, samt Trage. »Sagt ihnen, mir geht es wieder gut, ehrlich «, protestiert Blaize, aber die beiden Sanitäter - Fremde auf dem Pop-Planeten - ignorieren sie, um den wahren Notfall zu versorgen.
    »Das sieht aber nicht nach einem Asthma-Anfall aus«, bemerkt der eine, als sie zu uns stoßen.
    »Er hat auch kein Asthma. Der Lautsprecher ist auf ihn heruntergekracht«, erkläre ich.
    »Okay, machen Sie jetzt bitte alle Platz, damit wir uns um den Verletzten kümmern können«, weist der Sanitäter uns ernst an.
    Daniel und ich richten uns auf und treten zur Seite. Ich drehe kurz den Kopf nach hinten und sehe, dass Jenna auf uns zumarschiert. Als sie uns erreicht, sage ich: »Es tut mir Leid«, wobei ich es sofort wieder bereue, weil es wie ein Schuldeingeständnis klingt, oder?
    »Ich habe dir extra gesagt, dass du die Lautsprecher überprüfen sollst, Charlie«, giftet Jenna mich an. »Gestern in der Bar, dafür gibt es sogar Zeugen.«
    Zeugen? Stimmt, Sasha war dabei, aber normalerweise vergisst sie jedes Gespräch spätestens nach zwei Minuten.
    »Blaize hat sich auf meine Empfehlung für dieses Studio entschieden«, herrscht Jenna mich weiter an. »Wie stehe ich denn jetzt da? Ich werde mich bei Jamie beschweren, darauf kannst du Gift nehmen.« Ich sehe Jenna an, dass sie mich am liebsten weiter zur Schnecke machen würde, aber in diesem Moment registriert sie, dass Blaize aufbricht. Jenna, die ihre Prioritäten genau kennt, schnappt sich Blaizes Handtasche und läuft zu ihr. »Vielleicht solltest du mit ins Krankenhaus fahren«, ruft sie Blaize zu. »Du hast bestimmt einen Schock. Du solltest dich besser gründlich untersuchen lassen, Herzchen.«
    »Ich kann Krankenhäuser nicht ausstehen, Jenna. Ich will nur nach Hause.«
    »Auch gut, dann bringen wir dich nach Hause. Du hast nach diesem Schock Erholung nötig.«
    Blaize, Jenna und die restliche Meute strömen aus dem Saal. »Will niemand bei Karl bleiben?«, frage ich, aber eigentlich hätte ich mir das sparen können. Daniel und ich starren uns ungläubig an. Ich meine, in den drei Jahren, die wir hier arbeiten, haben wir schon einige Starallüren erlebt, aber das schlägt dem Fass den Boden aus.
    Die Sanitäter haben Karl mittlerweile auf eine trage verfrachtet. Sein Hals wird von einer Manschette gestützt, und er hat eine Sauerstoffmaske auf.
    »Wie ist sein Zustand?«, frage ich.
    »Wahrscheinlich nur eine Gehirnerschütterung, aber bei Kopfverletzungen kann man nie wissen«, antwortet der gesprächigere der beiden Sanitäter, während sie gemeinsam die Trage anheben und das Fahrgestell automatisch ausklappt. »Er muss zuerst geröntgt werden. Möchte einer von Ihnen mitkommen?«
    Daniel und ich starren uns erneut an, während Karl bereits davongerollt wird. »Ich halte hier die Stellung«, sagt Daniel. »Du fährst mit.«
    Ich sehe der Rollliege hinterher und fühle mich hin- und hergerissen. Im Prinzip möchte ich Karl begleiten, da er wahrscheinlich ernsthaft verletzt ist und ich (wie kann ich nur!) in ihn verknallt, sorry, auf ihn scharf bin, selbst wenn er bewusstlos und

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