Extra scha(r)f
plötzlich zu Katzenaugen.
»Das geht dich nichts an, kapiert?«
»Ich finde das schon noch heraus, weißt du«, entgegnet sie mit verschlagenem Grinsen, als hätte sie kurz vergessen, in was für einer Situation sie steckt. Sie kann eben einfach nicht aus ihrer Haut.
»Wehe, du schnüffelst mir wieder hinterher. Das wäre ein Fehler, in deiner Situation.«
Ich fühle mich besser, nun, da Emily wieder die Alte ist. Mit dieser Emily kann ich wenigstens umgehen.
Leise den Schlüssel ins Schloss stecken ... Umdrehen ... Klick ... Ich bin drin.
Oh Mann, für wen halte ich mich eigentlich? Für Charlie die Katze, eine Meisterdiebin? Wie albem. Ich bin Charlie, eine Freundin von Karl (sozusagen), und ich bin nur hier, um Karls Tasche vorbeizubringen und mein persönliches Eigentum abzuholen, an dem mir sehr viel liegt.
Dennoch komme ich mir vor wie eine Einbrecherin, als ich die Wohnungstür hinter mir schließe. In der Diele ist es stockfinster. Während ich nach dem Lichtschalter taste, rufe ich laut: »Hallo, ist jemand da?« Ich weiß zwar, dass die Frage überflüssig ist, aber ich habe vorher alles genau durchdacht. Sollte mich zufällig jemand hier in der Wohnung überraschen, kann ich somit in aller Unschuld sagen: »Was meinen Sie mit herumschnüffeln?
Ich habe vorher extra laut gerufen, um mich bemerkbar zu machen.«
Ich gehe zum Wohnzimmer durch und schalte das Licht an. Auf dem Couchtisch liegt mein Filofax, genau so, wie ich es zurückgelassen habe. Daneben stehen eine leere Flasche Wein und zwei benutzte Gläser. Seltsam. Ordinärer Wein. Mir hat Karl immer Champagner kredenzt. Ich frage mich, wer nach mir hier zu Besuch war. Und warum zum Teufel bin ich plötzlich eifersüchtig? Dabei ist Karl Benjamin das mieseste Schwein, das mir je begegnet ist - der Mann, der mich selbst dann noch verrückt macht, wenn er bewusstlos im Krankenhaus liegt.
Halte dich an deinen Plan, Charlie. Nichts wie raus hier.
Ich schnappe mir meinen Organizer und stecke ihn in meine Tasche. Dann drehe ich mich um und marschiere schnurstracks zur Eingangstür. Allerdings mit einem kurzen Zwischenstopp in Karls Bad. Nicht um dort herumzuschnüffeln, sondern weil ich auf die Toilette muss. Ich werde mich strikt an meinen Plan halten: rein, mein Eigentum holen und sofort wieder raus (abgesehen von der kleinen Zwangspause auf der Toilette).
Doch während ich auf der Toilette sitze, gerate ich in Versuchung. Jeder Mensch ist von Natur aus neugierig, oder nicht? Wer sieht nicht gern in die Schränke seines Gastgebers, wenn dieser gerade nicht im Raum ist? Aus diesem Grund sind diese Heimwerkersendungen so populär. Nicht um zu verfolgen, wie sich Inneneinrichtungen aufpeppen lassen, sondern weil man Einblick in fremde Wohnungen erhält. Nachdem ich auf der Toilette fertig bin, kann ich also nicht umhin, einen Blick in Karls Schlafzimmer zu werfen. Es wirkt sehr aufgeräumt. Kein vom Liebesspiel zerknülltes Bett. Alles wirkt völlig normal. Hier gibt es nichts Besonderes zu sehen, also weiter.
Ich probiere die nächste Tür, die am Sonntag verschlossen war, als ich das Bad gesucht hatte ... Aber dieses Mal ist sie nicht abgeschlossen. Ich erstarre kurz und spüre ein schuldbewusstes Kneifen im Magen. Diese Tür war beim letzten Mal abgeschlossen. Warum? Und was geht mich das überhaupt an? Aber jetzt ist sie nicht mehr abgeschlossen, also kann ich auch genauso gut einen Blick in das Zimmer dahinter werfen, bevor ich wieder verschwinde. Aus Karls Leben. Für immer.
Ich stecke den Kopf durch die Tür und taste nach dem Lichtschalter. Gleich darauf wird der Raum in Licht gehüllt, das von der nackten Glühbirne an der Decke ausgeht. Ich kneife die Augen zusammen und lasse den Blick durch das Zimmer schweifen. Ich weiß selbst nicht, was ich erwartet habe. Ein Bett? Fehlanzeige. So gut wie kein Mobiliar. Keine Hanteln und auch kein Rudergerät. Kein Werktisch, der mit Schraubenziehern und Zangen überquillt. Keine aus Zeitschriften herausgerissenen Fotos von Jill Dando an den Wänden. Oder was auch immer man hinter einer verschlossenen Tür in der Wohnung eines männlichen Singles erwartet.
Was erblicke ich stattdessen? Einen kahlen, fleckigen Dielenboden, einen Fernseher, ein Videogerät und eine Wand voller Regale, die bis zur Decke reichen und in denen augenscheinlich Videokassetten stehen. Ich betrete das Zimmer, und ein Blick aus der Nähe bestätigt mir, dass es sich tatsächlich um lauter Videokassetten handelt. Karl ist
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