Extra scha(r)f
Klimpern mit den Wimpern im Einkaufscenter hinausgeht.
»Das kann ich dir nicht sagen«, schluchzt sie. »Dad wird mich umbringen.«
»Ich bin aber nicht Dad. Ich glaube, es wäre hilfreich, wenn du mir sagst, wer der Vater ist, Emily.« (Auch wenn ich nicht genau weiß, inwiefern das hilfreich wäre, außer vielleicht, um meine Neugier zu stillen.) »Weiß er von der Schwangerschaft?«
Emily gibt keine Antwort, weil sie einen Heulkrampf hat.
Plötzlich geht mir ein Licht auf. »Du hast mit Dino darüber gesprochen, nicht?«, frage ich ungläubig, da mir nun klar wird, weshalb Dino mich bat, mit Emily zu reden.
»Ja, du Schnelldenker. Was hast du denn gedacht, was wir da oben im Zimmer gemacht haben?«
»Das tut nichts zur Sache«, wiegle ich ab, obwohl es mich bis jetzt brennend interessierte. »Ich wundere mich nur, dass du dich zuerst einem Fremden anvertraust statt deiner eigenen Familie.«
»Sicher, wo du doch sonst immer mein erster Ansprechpartner bei Problemen bist.«
Sie hat Recht. Schließlich hatte ich nie ein offenes Ohr für Emily. Ich bekomme ein schlechtes Gewissen. Bestimmt ist Emily völlig down - das kann ich ihr ansehen. Sie ist erst fünfzehn, um Himmels willen. Was soll sie mit einem Kind?
»Kannst du mal aufhören, mich so anzustarren?«, fährt Emily mich an, als sie den Kopf hebt und statt meines vermeintlich freundlichen, verständnisvollen Gesichtsausdrucks offenbar ein ungläubiges Staunen sieht. »Oh Mann, Dad wird mich umbringen.«
Womit sie erneut Recht hat. Das arme Kind. Dad wird sie tatsächlich umbringen. Aber das kann ich natürlich nicht laut sagen. Ich darf Emily nicht noch weiter aufregen, wenn ich in Ruhe nachdenken will.
»Was soll ich bloß machen?«, wimmert sie.
»Ich finde ... Ah ... Ich glaube ...« Mach schon, sprich den Satz zu Ende. Reiß dich zusammen. »Hör zu, das ist keine Katastrophe ...« Was rede ich da? Natürlich ist es eine. »Also gut, es ist eine Katastrophe. Wenn Dad dahinter kommt, wird er dich umbringen.« Herrjeh, das wollte ich überhaupt nicht sagen.
»WaszumTeufelsollichbloßmacheeeen ?«, stößt Emily verzweifelt aus, bevor sie in hilfloses, hysterisches Schluchzen verfällt.
Ich bin so ein Versager. Ich muss mich zusammenreißen und eine Lösung finden.
»Hast du mit dem Vater des Kindes darüber gesprochen?«, frage ich behutsam.
Sie gibt keine Antwort.
»Wer ist es? Möchtest du, dass ich mit ihm rede?«
Immer noch keine Antwort, bis auf ein ersticktes Schluchzen.
»Warum machst du so ein Geheimnis daraus, wer der Vater ist? Etwa ein älterer Mann? Hat er dich ausgenutzt? Müssen wir die Polizei einschalten?«
»Sei still!«, schreit sie mich an. »Er hat mich nicht ausgenutzt. Es war etwas ganz Besonderes. Wir lieben uns nämlich. Natürlich weiß er Bescheid. Er hat genauso viel Schiss wie ich. Was hast du denn erwartet? Schließlich ist er noch minderjährig.«
Genau wie Emily.
»Nun, wenn er dich lieben würde, wäre er dann nicht an deiner Seite, um dir zu helfen, das alles durchzustehen?«, wende ich ein.
»Ich wusste, dass du mich nicht verstehst«, stößt sie aufgebracht hervor. »Mit dir kann man einfach nicht reden. Außerdem, du hast doch keine Ahnung, was wahre Liebe ist. Wer verliebt sich schon in so eine hässliche, alte Schachtel wie dich?«
Ich bin kurz davor, die Beherrschung zu verlieren und meine Schwester hochkantig rauszuschmeißen. Offenbar hat sie meine Gedanken gelesen, weil sie mich nun unter einem neuen Schwall Tränen fragt: »Was soll ich nur machen, Charlie?«
Emily ist unglaublich. Sie kommt zu mir ins Studio, beleidigt mich aufs Übelste und sieht mich dann mit diesem Hundeblick an, damit ich ihr helfe, was im Übrigen bei Dad schon seit Jahren hervorragend funktioniert. Aber sie hat Recht - zum dritten Mal. Ich kann sie nicht hängen lassen. Schließlich bin ich ihre große Schwester. Mag sein, dass ich als große Schwester eine Niete bin, aber ich bin die Einzige, die sie hat, und ich muss ihr helfen.
Nachdem ich als erfahrene, ältere Schwester Emilys Möglichkeiten in Betracht gezogen habe, bin ich zu dem Schluss gelangt, dass sie keine hat. Bis auf die eine.
»Emily, beruhige dich wieder. Tief durchatmen. Okay, hör mir zu«, sage ich und hole selbst tief Luft. »Du musst es loswerden.«
»Was meinst du damit?«
»Du musst es abtreiben.«
Prompt bekommt Emily einen hysterischen Anfall. Vielleicht wäre es jetzt doch angebracht, sie in den Arm zu nehmen. Ich hebe den Arm ... aber
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