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Extraleben - Trilogie

Extraleben - Trilogie

Titel: Extraleben - Trilogie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Constantin Gillies
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Folgeseiten durchdrücken und böse Menschen sie immer noch entziffern können, wenn sie das Blatt gegen das Licht halten. Jetzt nur noch das »th« von »thanks« richtig hinbekommen und der Anruf ist pannenfrei über die Bühne gegangen. Andie haucht das obligatorische »take care«, ich mache mir die obligatorischen Hoffnungen, und das Gespräch ist vorbei.
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    Es war keine gute Idee, ihn ausgerechnet heute fahren zu lassen. Old Nick ist aus gutem Grund der ewige Beifahrer, ganz einfach, weil er wie eine Oma fährt. Bei allen Denkprozessen, die in seinem Hirn ständig ablaufen, bleibt keine Rechenpower mehr übrig, um ein Lenkrad und zwei Pedale vernünftig zu bedienen. Dabei dürfte das gerade heute kein Problem sein. Es ist nicht viel los auf der Autobahn, weil Sonntagmittag ist und die Trucker ihre Böcke an der Raste geparkt haben und daneben mit nacktem Oberkörper Bier trinken. Abgesehen von ein paar Wohnmobilen, bei denen man aus der Ferne nie genau erkennen kann, ob sie noch fahren oder schon auf der rechten Spur campen, blockieren keine größeren Hindernisse die Straße. Nick stresst das Fahren trotzdem: Unentschieden driftet er von Spur zu Spur, bremst und gibt abwechselnd Gas, je nachdem, wie sehr in Fahrt er gerade ist. Und er ist ziemlich in Fahrt. Dass er an diesem Abend im Flugzeug nach Kuala Lumpur sitzt und nicht bei sich zuhause auf dem Sofa, nervt ihn gewaltig.
    »Man, schon wieder diese Scheiß-Strecke!«
    Obwohl die Klimaanlage volle Kanone läuft, kullert an seiner Schläfe ein kleiner Schweißtropfen runter.
    »Was heißt schon wieder«, erkundige ich mich, ohne den Haltegriff über dem Fenster auch nur eine Sekunde loszulassen. Mein rechter Fuß pumpt fleißig auf einer virtuellen Bremse rum.
    »War vorletzte Woche erst in den Staaten, West Virginia ...«, zischt er aus dem Mundwinkel. West Virginia? Es gibt nur einen Ort in West Virginia, wo die Datacorp regelmäßig hin muss. Nach Clarksburg, zur Criminal Justice Information Services Division des FBI, da sitzen die Computerspezialisten der amerikanischen Bundesbullen. Das könnte der perfekte Moment sein, um ein paar Dienstgeheimnisse aus ihm rauszukitzeln - jetzt, wo er seinen Arbeitgeber gerade so schön hasst. Ich teste ganz sachte das Wasser: »Worum ging's?«
    »Ach, nix Großes. Die Strafverfolgungsbehörden ...«
    Hallo? Ich bin nicht blöd, du kannst ruhig die drei Buchstaben sagen! Probier's mal: »Eff« - »Bieh« - »Ei«, geht ganz leicht. Doch Nick macht unbeirrt weiter auf diskret: »... die haben einen alten Mordfall aus den späten Achtzigern wieder rausgekramt. Das Problem lag darin, dass sämtliche Beweisfotos - und davon gab's in diesem Fall ziemlich viele - digital auf Videokassetten gespeichert waren.«
    »Fotodateien auf Videokassetten? Woher kamen die Bilder? Ich wusste nicht, dass die damals schon Digitalkameras hatten ...«
    »Ja, war wohl die erste Generation. Leider waren die Festplatten der PCs damals mit ein paar Bildern schon voll, und deshalb haben die Ermittler die Daten auf VHS-Kassetten runtergespielt. Alpha Microsystems hieß der Hersteller des Systems, glaube ich. Völlig krass, wenn du die Daten-Tapes in einen normalen Rekorder steckst, kannst du die Bits als weiße Punkte erkennen.«
    »Wie bei Videodat!«
    Nick schaut etwas verwirrt, fängt sich aber wieder.
    »Äh, so in der Art. Na, jedenfalls konnte keiner mehr die Fotodateien von den Bändern runterholen, weil der passende Rekorder und all das andere Equipment in der Zwischenzeit verschwunden war. Wir mussten also bei null anfangen und das ganze System neu aufbauen: Videorekorder, Interface-Karte, Software, PC aus den Achtzigern mit acht Megahertz - all die modernen Kisten waren zu schnell!«
    Ein Kombi mit Anhänger, auf dem ein Unfallwagen verzurrt ist, kriecht den Berg vor uns rauf und kommt bedrohlich schnell näher. Erst in letzter Sekunde reißt Nick unsere Kiste auf die mittlere Spur rüber, ohne zu blinken oder sich umzugucken.
    »Mann, ey!«
    Vorwurfsvoll starrt er beim Überholen den Fahrer des Kombis an, der ihn überhaupt nicht beachtet. Vielleicht kommt er runter, wenn er weitererzählen darf?
    »Und, was war drauf auf den Fotos?«
    »Das war ja die Gemeinheit«, Nick rutscht auf dem Sitz hin und her, »wir durften nur das System aufbauen. Als es ans Auslesen ging, hieß es bye-bye Datacorp.«
    »Mies«, sekundiere ich. Wir biegen auf die Märklin-Meile ein, dieses Stück Autobahn, wo die Landschaft am Rand für ein paar Minuten

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