Extraleben - Trilogie
erschien einem der Urlaub mit der befreundeten jungen Familie in Holland plötzlich in einem völlig neuen Licht.«
Dem Beifahrer entfährt ein leises »Neeeeeeein«, sodass sich die Leute in der Sitzreihe vor uns schon umdrehen.
»Dein Dad und ...«
Wechsel auf Flüsterton.
» ...Gruppen ...?«
Völlig überdreht packt Nick meinen T-Shirt-Kragen und zerrt an mir rum.
»Bitte, schnell, das Hirn-Domestos, ich muss die Gedanken irgendwie rausätzen. Schnell, schnell!«
Wir lachen uns halb kaputt. Und während der Jumbo unbeirrbar weiter auf die Datumsgrenze zurast, tauchen wir in die Siebziger ein, oder besser gesagt: in die gefühlten Siebziger - so, wie wir sie uns vorstellen. Wahrscheinlich sind sie tausendmal besser als die echten jemals waren.
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Irgendwann kommt im Leben eines Jungen der Moment, in dem er sich entscheiden muss, auf welcher Seite er stehen will. Dann gilt es, wichtige, ja sogar existenzielle Entscheidungen zu treffen, die dem Leben für die nächsten achtzig Jahre eine Richtung geben. Man muss Fragen beantworten wie: Adidas oder Nike? Amiga oder Atari? Star Trek oder Star Wars? Und manchmal wird zu dieser Zeit auch die allerwichtigste aller Weichen gestellt: cool oder uncool? John Cusack hat es im Volltreffer kurz vor seiner Wupperüberquerung gut auf den Punkt gebracht: Willst du ein Nick sein - einer, der mit dir einen hebt und dem du ins Auto kotzen kannst? Oder ein Elliot, ein fettes Kind mit Brille, das Brei isst? Das war übrigens auch der Moment, in dem Herr Niklas beschloss, seinen echten Vornamen für immer zu begraben. Dagegen sind die Entscheidungen in der Erwachsenenwelt völlig banal. Es wird ohnehin das meiste für dich entschieden. Nur eine Frage musst du selbst beantworten, egal, wie alt du wirst: Pasta or chicken? Unsicher wie jeder Berufsanfänger arbeitet sich die blutjunge japanische Flugbegleiterin durch die Reihen und ringt den Passagieren eine Entscheidung ab. Der Beifahrer nimmt die Nudeln - weil da die Chance geringer ist, eine Fleischvergiftung zu bekommen, kennt man doch aus Filmen. Um nicht pärchenmäßig rüberzukommen, bleibt mir nur das Hähnchen. Und zu trinken? Obwohl alles - Bier, Wein, Schnaps - gratis ist, entscheiden wir uns beide für einen Tomatensaft. Hinweis Nummer fünfhundertdreiundneunzig darauf, dass man kein Teenager mehr ist: Obwohl es kostenlosen Sprit gibt, nimmt man ein alkoholfreies Getränk. Nachdem wir die Plastiktütchen mit dem Pfeffer komplett in unsere Becher geleert haben, spinnt Nick den Siebziger-Faden weiter.
» Cool war auch, dass Computer damals noch so ein Zauber umgab - eben weil sie noch nicht in jedem Wohnzimmer standen. Das waren noch mystische, unnahbare Elektronenhirne, kein Haushaltsgegenstand wie ein Mixer.«
Das ist eine von seinen Lieblingstheorien: Dass es heutzutage keine Exklusivität mehr gibt, mit Exklusivität in Sperrdruck. Der Grund für das Klagelied ist ziemlich banal: Früher, auf der Schule, war er immer der Held, weil sein Vater ständig brandneue Gadgets in seinem Büro hatte, von denen wir niedrigen Kreaturen nur träumen konnten: Faxgerät, Btx-Terminal, Motorola-Autotelefon. Dass dieser Vorsprung durch Technik dahin ist und heute so gut wie jeder das allerneueste Zeugs haben kann, geht ihm einfach gegen den Strich. Ein bisschen was ist natürlich dran, an der Exklusivitäts-Sache. Gilt auch für das Fliegen: Als es sich nur die Bardot und Gunter Sachs leisten konnten, mit dem Jet von Nizza nach London zu hoppen, hatte eine Flugreise noch Glamour. Jetset halt. Heute ist der Lack ab, du sitzt zwischen Krethi und Plethi und wirst gefragt, ob du Huhn oder Nudeln willst. Doch diese Straße sind wir häufig runtergefahren, zu häufig. Deshalb setze ich den Blinker und biege zu einem anderen Thema ab. „Na ja, stimmt nicht hundertprozentig. Auch in den Siebzigern gab's schon überall Rechner, man konnte sie bloß nicht sehen. Sobald du einen Flug gebucht oder mit der Kreditkarte bezahlt hast, waren damals auch schon Computer im Spiel.«
»Hm.«
Nick lenkt aber ungewöhnlich schnell ein. Moment, dieser leere Blick ...nein, er hat gar nicht eingelenkt, sondern abgeschaltet und währenddessen an einer anderen Geschichte gebastelt. Und die kommt in drei, zwei ...
»Was ich noch zum Todes-Poke sagen wollte.«
Und da ist sie schon.
»Mir ist noch ein Beispiel eingefallen: Anfang der Sechziger brachte Xerox die ersten xenografischen Drucker auf den Markt, also im Grunde genommen nichts anderes als
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